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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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gewoben werden – nicht wahr? Vielleicht, wenn ich vor all diesen Jahren in Brigantien geblieben wäre, statt mit meiner Mutter wegzugehen. Oder wenn du all dies aufgegeben hättest, um mit mir nach Rom zu kommen.«
    Er zuckte die Achseln. »Was bringt es, über solche Dinge zu spekulieren? Man kann die Geschichte nicht ändern.«
    »Nein. Aber, Brigonius - was, wenn man es doch könnte? Meine Mutter glaubt nämlich, dies sei der Sinn der Prophezeiung.«
    In den dazwischenliegenden Jahren hatte er Severas rätselhaftes Dokument so gut wie vergessen. »Dieses alte, gespenstische Ding. Existiert es noch?«
    »Ja. Und in gewisser Weise hat die Prophezeiung sich erfüllt, das glaubt meine Mutter jedenfalls. Ihrer Meinung nach sind drei Zeilen von Belang für unser Jahrhundert.«
    Von Belang für unser Jahrhundert . Trotz der zunehmenden Wärme des Tages überlief Brigonius ein kalter Schauer. »Also enthält sie auch Worte, die für andere Jahrhunderte von Belang sind?«
    »O ja«, sagte sie. »Ich habe mich mit meiner Mutter immer darüber gestritten, ob die Prophezeiung nicht mehr ist als ein bloßes Werkzeug zur Erreichung ihrer ehrgeizigen Ziele. Nachdem ihre Pläne in sich zusammengebrochen waren, hat sie angefangen, darüber nachzudenken. Und sie ist zu dem Schluss gelangt, dass die Prophezeiung eine Warnung aus der Zukunft ist, dass ein Weber der Geschichte sie zurückgeschickt
hat, um unsere Zeit zu beeinflussen – die für ihn die Vergangenheit wäre.«
    »Und was meinst du?«
    »Ich glaube immer noch, dass all dies etwas mit Christus zu tun hat. Denk daran, die Prophezeiung wurde bei der Geburt meines Vorvaters Nectovelin verkündet, der zufällig im selben Jahr zur Welt kam wie Jesus von Judäa. Ich glaube, in Wirklichkeit steht die Prophezeiung irgendwie mit dem Geschick des Christentums in Verbindung, und diese Ereignisse wie die Eroberung von Provinzen und der Bau von Wällen sind allesamt Zufall. Meine Mutter bestreitet das allerdings; wenn sie eines ist, dann eine loyale Anhängerin der Götter Roms. Wir haben uns immer über Jesus gestritten … Aber was mir jetzt Sorgen macht, sind nicht die künftigen, sondern die gegenwärtigen Folgen der Prophezeiung.«
    »Was meinst du damit?«
    »Bei den angeblichen aufwieglerischen Umtrieben meiner Mutter geht es um dieses Schriftstück. Der Hof des Kaisers hat die Prophezeiung immer mit Misstrauen betrachtet. Jetzt ist meine Mutter der Subversion angeklagt worden. Und wo könnte man den Fall besser untersuchen als hier, am Ursprungsort der Prophezeiung?«
    »Deshalb ist Sabinus also hergeschickt worden.« Sie hielten inne, während der Wall sich leuchtend über die Landschaft um sie herumspreizte. Dann sagte Brigonius traurig: »Da reden wir nun über Mütter und Kaiser, über Wälle und Prophezeiungen. Aber nicht über uns .«

    »Aber in Wahrheit gibt es kein Uns , über das wir reden könnten, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte er hitzig. »Aber ich werde immer …«
    Sie beugte sich von ihrem Pferd zu ihm herüber und legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Es bleibt besser unausgesprochen.«
    Er nickte. »Wir sollten zurückreiten. Es ist bald Mittag.«
    »Natürlich.«
    Er gab seinem Pferd die Sporen, und die beiden trabten nebeneinander zurück nach Banna, um sich wieder den Angelegenheiten des Tages zu widmen, den Angelegenheiten ihrer schon seit langem getrennt verlaufenden Leben.

XXI
    Drei Tage später berief Galba Iulius Sabinus eine »unumgängliche Versammlung«, wie er es nannte, in der Causa Claudia Severa ein.
    Brigonius wollte nichts damit zu tun haben. Ihm wäre es am liebsten gewesen, wenn Severa durch Brigantien gereist und wieder verschwunden wäre, ohne dass er sie zu Gesicht bekommen hätte. Doch zu seiner Bestürzung stellte er fest, dass er zu der »Versammlung« einbestellt worden war – und zwar auf Geheiß von Severa selbst.
    Die Versammlung fand in der Schreibstube der Standartenträger im Kastell statt. Der kleine Raum, vollgestopft mit Unterlagen über die Besoldung und die Ersparnisse der Soldaten sowie andere militärische Nebensächlichkeiten, war eng und unbequem. Auf den niedrigen Tischen standen Öllampen, die das Halbdunkel vertreiben sollten, und ihr rußiger Rauch würzte die Luft. Kleine Statuen von Antinous, dem hübschen jungen Geliebten von Hadrian, füllten Wandnischen.
    Brigonius fand einen Platz auf einer Bank neben den Adjutanten des Präfekten. Severa war noch nicht da; sie verspätete sich.

    Der Präfekt von

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