Imperator
ureigenen, besten Tradition, bei dem jedes Element am richtigen Platz war.
Nah an der zentralen Feuerstelle, wo das nächtliche Feuer unruhig niederbrannte, hockten vielleicht fünfzig Personen beieinander. Es waren die führenden Catuvellaunen und ihre Fürsten, Caratacus und Togodumnus, die Söhne Cunobelins. Man sah kahl geschorene Schädel in der Menge, wahrscheinlich Druiden. Die Fürsten und ihre Krieger trugen Waffen und Broschen – Kleckse aus Eisen, Bronze und Silber – sowie schwere goldene Torques um den Hals. In Camulodunum zeigte man seine Macht und seinen Reichtum, indem man ihn am Körper trug. Es gab jedoch auch Männer mit Ringen an den Fingern und ausgezupftem Gesichtshaar – römischer Stil selbst hier in Cunobelins Haus, vor den Enkeln des Cassivellaunus.
Die meisten Leute trugen jedoch die Arbeitskleidung der Gehöfte, so graubraun wie die Erde selbst.
Agrippina und ihre Gefährten fanden einen Sitzplatz auf einer Felldecke, die auf dem Boden lag. Sie merkten rasch, dass die gerade stattfindende Diskussion zänkisch und unbefriedigend war. Offenbar hatte man schon die ganze Nacht hindurch gestritten.
Obwohl die Leute sich den Fürsten beugten, war dies eine sehr gleichberechtigte Debatte, in der sich jeder äußern durfte – höchst unrömisch, dachte Agrippina, ganz anders als bei den gravitätischen Beratungen
der römischen Heerführer, die sie sicher auch heute noch abhielten. Doch Caratacus und Togodumnus besaßen beide nicht die Autorität ihres Vaters Cunobelin, und sie waren auch längst nicht so scharfsinnig wie er – und wenn man sie herausforderte, wurden sie in zunehmendem Maße wütend. Sie waren wie Überbleibsel der Vergangenheit, dachte Agrippina, Männer aus einer Zeit, in der Anführer nur Körperkraft und Trinkfestigkeit benötigten.
Cunobelin hatte immer Schwierigkeiten mit seinen Söhnen gehabt. Wie es bei seinem Volk und auch bei Agrippinas Briganten Brauch war, hatte er sich unbekümmert viele Frauen genommen, die ihm zwanzig Jahre lang einen steten Strom von Kindern gebaren. Cunobelin hatte noch erlebt, wie Enkelkinder – unter ihnen auch Cunedda – erwachsen wurden. Doch schon vor seinem Tod waren viele seiner Söhne untereinander in Streit geraten. Und als Cunobelin schließlich starb, war es, als wäre der Deckel von einem überhitzten Topf geflogen.
Die beiden Söhne, die Cunobelin zur Erziehung und Ausbildung nach Rom geschickt hatte, Adminius und Cogidubnus, waren vertrieben worden – es ging das Gerücht, sie seien nach Rom zurückgekehrt und hätten Claudius um Hilfe gebeten. Währenddessen scherten sich die beiden »Krieger«, Togodumnus und Caratacus, keinen Deut um den längst verstorbenen Caesar; die Unterschrift unter seine Abkommen lag so lange zurück, dass sich niemand mehr daran erinnern konnte.
In der Folge hatten die Fürsten angefangen, ihre Nachbarn zu überfallen. Zu diesem Zeitpunkt hatte es Nectovelin zu den Catuvellaunen gezogen; freudig ergriff er die Gelegenheit, an ihrer Seite das Schwert zu schwingen. Die überfallenen Stämme wurden in die Knie gezwungen, aber nicht einverleibt; die beiden herrschten über ein verdrossenes Imperium.
Anfangs hatten all diese Turbulenzen dem Handelsverkehr der Catuvellaunen mit den Römern scheinbar nicht geschadet. Doch dann hatten die Fürsten einen Herrscher namens Verica abgesetzt, der die Atrebaten regiert hatte, einen Volksstamm, dessen weitläufiger Besitz viele Häfen an der Südküste umfasste. Verica, ein Freund Roms, war dorthin geflohen. Und diesmal hatte Claudius zugehört.
Den ganzen Sommer hindurch, entnahm Agrippina dem Gespräch, hatten Händler und Kundschafter – genau wie Cunedda es ihr erzählt hatte – Gerüchte über eine Zusammenballung römischer Waffen und Männer in der gallischen Küstenstadt Gesoriacum mitgebracht. Die Fürsten und andere lokale Herrscher hatten sich hastig auf eine Invasion vorbereitet und ihre Kriegerscharen zur Abwehr römischer Landungsversuche an die Küste beordert – nur um die gelangweilten und hungrigen Truppen dann wieder aufzulösen. Vielleicht hatte nach neunzig Jahren Straflosigkeit niemand wirklich geglaubt, dass die Römer noch einmal wiederkommen würden. Seither hatten die Fürsten ihren eigenwilligen Umgang mit den Nachbarn der Catuvellaunen fortgesetzt.
Und nun war der Sturm losgebrochen. Die Römer waren schließlich doch gelandet, spät im Jahr, ohne auf Widerstand zu stoßen, und jetzt rückten sie bereits von
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