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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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die nützlichen Fürsten, die ständig ihre Nachbarn schikaniert, ihre Rivalen in die Arme
Roms getrieben und selbst satte Gewinne mit ihren Sklaven gemacht haben.«
    Cunedda runzelte die Stirn. »Sklaven?«
    »Eure Fürsten haben sich als Widerstandskämpfer gegen Rom aufgespielt«, sagte Vespasian kalt. »Aber zur gleichen Zeit haben ihre Überfälle auf eure Nachbarn ihnen einen steten Strom von Sklaven eingebracht, die sie auf die Märkte in Gallien geschickt und dort für römisches Gold verkauft haben.«
    Claudius beobachtete Cuneddas Gesicht. »Du bist wirklich enttäuscht, nicht wahr? Habt ihr Britannier etwas gegen den Sklavenhandel? War Caratacus für dich ein Held? Aber ist dir denn nicht klar, dass dies ein Bestandteil unseres Siegeszugs ist, dass der römische Sklavenmarkt eure Politik deformiert hat, lange bevor auch nur ein einziger Soldat seinen Fuß auf eure Insel gesetzt hat? Caratacus und sein Bruder haben ein doppeltes Spiel getrieben, verstehst du? Sie waren keine Helden, mein Kleiner. Sie waren Heuchler und Narren. Solche Männer können niemals den Sieg über Rom davontragen.«
    Nectovelin war ebenso niedergeschmettert wie Cunedda, aber er sagte höhnisch: »Das werden wir ja sehen.«
    »Wie aufsässig du bist! Aber glaubst du denn wirklich, ihr könntet Erfolg haben, ihr und euer Caratacus? Wie sollte euch das gelingen? Rom ist ein System, verstehst du, ein System, dessen zeitliche Dimensionen weit über ein bloßes Menschenleben hinausreichen, selbst über das eines Kaisers. Und es ernährt sich von
Expansion. Mit dem Zustrom neu erworbener Reichtümer wird das Heer bezahlt, das dann wiederum neue Territorien und Reichtümer erobert – und das Rad dreht sich weiter und weiter. Rom hatte schon immer die Absicht hierherzukommen; das ist Schicksal.« Seine Augen funkelten; er war fasziniert, als wäre dies alles ein intellektuelles Spiel, dachte Agrippina. »Kaiser sind auch früher schon ermordet worden, und sie werden zweifellos auch künftig ermordet werden. Ja, wenn ihr mich getötet hättet, wäre alles durcheinandergeraten, aber nur für kurze Zeit. Hast du dir eingebildet, du haariger Britannier, du könntest mit deinem Schwert Geschichte schreiben?«
    »Leeres Geschwätz, Römer«, sagte Nectovelin. »Du sprichst vom Schicksal. Aber ich habe eine Prophezeiung, die mir im Augenblick meiner Geburt zuteil wurde. Sie spricht von Sieg und Freiheit. Und darum werden wir gewinnen.«
    Aber da irrst du dich, dachte Agrippina, und ihr wurde das Herz schwer.

XXI
    »Eine Prophezeiung? Wie interessant. Was für eine Prophezeiung?«
    Nectovelin starrte ihn wütend an.
    »Durchsuch ihn, Vespasian.«
    Vespasian rief einen Wachposten zu Hilfe. Es dauerte nur einen Moment, dann wurde die lederne Dokumentenmappe in Claudius’ Hände gelegt.
    Claudius fingerte behutsam an der Mappe herum und rümpfte die Nase. »Sie riecht, als wäre sie an ein Pferd geschnallt gewesen.« Aber er löste die Schnüre, nahm das Pergament heraus und faltete es auseinander. Er ging damit zu einer Lampe, um besseres Licht zu haben, und kniff die Augen zusammen. Dann nahm er ein kleines Drahtgestell mit zwei eingesetzten Gläsern zur Hand und hielt es sich vor die Augen.
    Agrippina stockte der Atem. Sie dachte an eine andere Formulierung in der Prophezeiung – und seine Augen sind aus Glas . Wurde das alles irgendwie wahr?
    Nectovelin warf ihr einen argwöhnischen Blick zu.
    »Sieh an, sieh an«, sagte Claudius. »Eine britannische Prophezeiung in lateinischer Schrift – und in einem recht guten Latein obendrein. Sag mir, wie das kommt.« Als Nectovelin nicht antwortete, legte der
Kaiser seine »Augen aus Glas« weg und drehte sich zu ihm um. »Dir ist doch klar, dass nur meine Neugier dich am Leben erhält.«
    Nectovelin schien vor Wut zu zittern. Agrippina begriff, dass die Prophezeiung für ihn ein Amulett war, dessen Zauberkräfte nichts mit ihrem eigentlichen Wortlaut zu tun hatten – und jetzt, in diesem Augenblick seines endgültigen Scheiterns, musste er es ertragen, dass diese Worte von einem Fremden, einem Feind gelesen wurden. Aber er zwang sich, noch einmal die Geschichte seiner Geburt zu erzählen: das lateinische Geplapper seiner in den Wehen liegenden Mutter, wie ihre Worte von Agrippinas Großvater niedergeschrieben worden waren.
    Claudius musterte Agrippina. »Es ist also eine Familienangelegenheit. Und wann war das? Wie alt bist du, Mann?«
    Nectovelin nannte sein Alter: siebenundvierzig

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