Imperator
vorhergesehen haben könnte, nicht wahr?«
Agrippina hatte das Gefühl, als wäre die Welt in Stücke zerbrochen und füge sich auf ganz andere Weise wieder zusammen.
XXII
Als die stämmigen Soldaten Nectovelin in die Dunkelheit hinausstießen, störte der Tumult die Tiere in ihrem hastig errichteten Gehege. Sie stampften grollend hin und her, ihre massigen Körper wie Wolken, die über den dunkler werdenden Himmel zogen.
Sie waren nicht glücklich. Sie entstammten verschiedenen Familien, denn den afrikanischen Händlern, die sie an die Römer verkauft hatten, waren solche Feinheiten egal gewesen. Die Seereisen wie auch die Reise über Land durch Gallien hatten ihnen ebenso wenig gefallen wie den meisten Begleitern des Kaisers. Nun waren sie an diesem fremden, kalten Ort eingesperrt, und da sie ihre Geschwister und Mütter vermissten, knurrten sie unruhig und rempelten einander unablässig an.
Aber sie hatten Claudius’ Zwecken gedient, indem sie den Menschen auf dieser Insel Furcht eingeflößt hatten. Immerhin waren sie die ersten Elefanten seit zehntausend Jahren – seit die Gletscher sich mürrisch zurückgezogen hatten und die letzten Mammuts gestorben waren –, die einen Fuß auf britannischen Boden gesetzt hatten.
XXIII
Claudius verließ Britannien nach nur sechzehn Tagen. Und er nahm Agrippina und Cunedda mit nach Rom.
Auf dem palatinischen Hügel, wo die Kaiser seit Augustus ihre Paläste errichtet hatten, wanderten Agrippina und Cunedda schweigend unter himmelhohen Decken und auf seeflachen Marmorböden umher. Alles war vom satten mediterranen Licht getränkt. Claudius hatte Rom als ein System beschrieben, dessen zeitliche Dimensionen die Lebensspanne eines Menschen überschritten. Seit über einem halben Jahrtausend strömte der Reichtum Europas, Asiens und Afrikas nun bereits hierher, wie Wasser durch einen Trichter floss. Und das Ergebnis sah man überall um sie herum auf Roms marmorgetäfelten Hügeln.
Obwohl sie offiziell weiterhin unter Bewachung standen, schien Claudius Wert darauf zu legen, dass Cunedda und Agrippina in seinem Haushalt blieben. Er teilte ihnen sogar Hauslehrer zu. Sie seien seine beiden Brittunculi , sagte er ohne erkennbare Boshaftigkeit. Später erfuhr Agrippina, dass er auch Gallier mit nach Hause gebracht hatte und ähnliches Interesse an dieser relativ neuen Provinz zeigte. Sie wurden wie
Haustiere behandelt, dachte Agrippina, aber es gab schlimmere Verhaltensweisen für einen Eroberer.
Einen Monat nach der Rückkehr des Kaisers nach Rom wurde Agrippina zu Claudius gebracht und fand ihn in intensiven Vorbereitungen für seinen Triumphzug, der für das kommende Jahr geplant war. »Es gibt so viel zu tun«, erklärte er ihr, während er in Bergen von Korrespondenz herumwühlte. »So viele Kleinigkeiten müssen organisiert werden! Und es ist schwer, Dinge zu delegieren. Selbst Narcissus, den ich sehr schätze, versteht als Grieche wenig von den Traditionen, um nicht zu sagen Archaismen, mit denen Rom seine Angelegenheiten regelt.
Außerdem bin ich gerade dabei, die Widmungsinschrift für meine Triumphbogen zu entwerfen.« Er zeigte ihr eine grobe Skizze. »Wie du siehst, nimmt mein offizieller Name schon die Hälfte des verfügbaren Platzes ein, pah! Aber ich habe die Worte sorgfältig gewählt, denke ich. Ich erwähne die förmliche Unterwerfung von elf Königen. Mit der Invasion war kein Ehrverlust für Rom verbunden, denn sie erfolgte als Reaktion auf den Bruch von Verträgen durch britannische Fürsten – wirklich, das stimmt! Römische Kriege sind immer legal. Und hier zeige ich, dass die römische Herrschaft sich nun auch auf die Barbaren jenseits des Meeres erstreckt.« Barbari Transoceanum .
»Wo werden deine Triumphbogen stehen?«
»Der Senat hat mir drei zuerkannt – in Rom, an der Küste des Ozeans, vielleicht dort, wo Plautius gelandet
ist, und vielleicht auch noch einen in Cunobelins Hauptstadt.«
»In Britannien wird es nicht viele Feiern geben«, sagte Agrippina kühn.
»Wieso nicht?«
»Eure Invasion war brutal. Ihr schert euch nicht um unsere Kultur, unsere Identität. Ihr wollt nur so viel wie irgend möglich aus uns herausholen.«
Claudius lehnte sich zurück und schürzte die Lippen. »Wir sind also Banditen. Gewalttätige Räuber. Aber so ist das nun einmal. Ihr Britannier auf eurer Insel seid hinter dem Fortschritt Europas zurückgeblieben. Wir können lesen und schreiben; bei uns gibt es Recht und Gesetz; wir haben Aufzeichnungen;
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