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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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er, dass auch sein eigener Kampf vorbei war.
    Die Legionäre drangen in die Festung ein. Geschäftsmäßig steckten sie die Gebäude in Brand und begannen, die Überreste der Verteidigungsanlagen zu schleifen. Und sie liefen zwischen den Verwundeten umher. Manche töteten sie sofort mit dem Schwert. Alle, die so aussahen, als könnten sie ein Lösegeld einbringen, wurden zusammengetrieben und mussten sich unter einem mit Gewichten beschwerten Netz in den Schmutz setzen. Nectovelin gehörte zu denjenigen, die sie am Leben ließen; er saß inmitten stöhnender, verletzter Durotriger, von seinen eigenen Schmerzen gepeinigt.

    Vespasian hatte mit seinem Angriff auf den Westen begonnen, als der Kaiser sich noch im Land aufhielt. Hier war mit Widerstand zu rechnen, wie Caratacus gewusst hatte, denn die Durotriger hegten einen Groll gegen die Römer, seit Caesar ihre Handelsverbindungen mit Gallien gekappt hatte. Und das hatte sich bestätigt. Die Durotriger und andere Volksstämme stellten sich dem römischen Vormarsch mit einer Wildheit entgegen, welche die Catuvellaunen beschämte.
    Aber das hatte nicht genügt. Nicht einmal Nectovelin hatte vorausgesehen, mit welcher Brutalität und Erbarmungslosigkeit Vespasian angreifen würde. Der Legat hatte mehr als dreißig Schlachten ausgefochten und über zwanzig Städte eingenommen. Und Nectovelin hatte ebenso wenig vorausgesehen, wie wirkungsvoll die Römer eine Belagerung durchführen konnten. Vespasian war von der römischen Flotte unterstützt worden, die an der Südküste entlanggefahren war; der Anblick der riesigen, lautlosen Schiffe hatte denjenigen, die sie vom Land aus beobachtet hatten, eine Heidenangst eingeflößt.
    Und nun zerstörten die römischen Eroberer diese Festung.
    Es war ein sehr alter Ort. Eine Art Pfad – oder eher ein tief ausgehöhlter Graben – führte um den Hügel herum. Die Einheimischen sprachen von den alten Zeiten, in denen sie ihre Götter besänftigt hatten, indem sie auf diesem heiligen Pfad um den Hügel gegangen waren, den Damm repariert und Opfer dargebracht hatten. Kinder, die an Sommernachmittagen
im Erdreich buddelten, fanden oftmals geformte Steine oder bearbeitete Bronze- und Eisenstücke – und hin und wieder sogar einen menschlichen Knochen. Dieser Hügel war seit unvordenklichen Zeiten bewohnt und verehrt worden; die Festung, die ihn krönte, war nur der neueste Beweis dafür.
    Doch nun waren die Römer gekommen, und das war das Ende. Die Legionäre stießen die Brustwehren in die Gräben und hebelten die großen Steine aus den hohen Torrahmen, um sicherzustellen, dass die Festung nie wieder benutzt werden konnte. Der Hügel würde aufgegeben werden, man würde vergessen, welchem Zweck er gedient hatte, und mit dem uralten Damm, den zerstörten Brustwehren und allem würde er ein Rätsel für spätere Generationen werden. Römer brachten immer zu Ende, was sie begonnen hatten.
    »… Ich kenne dich.« Die Worte waren lateinisch, aber Nectovelin hatte in seinen Jahren mit Agrippina ein paar Brocken aufgeschnappt. Benommen blickte er auf.
    Der Legat persönlich stand über ihm: Vespasian. Diesmal trug er nicht seine Paradeuniform wie in jener Nacht in Camulodunum, sondern einen abgewetzten und blutbefleckten Streifenpanzer. Seine Stirn war mit Schmutz und Schweiß beschmiert. Vespasian hatte immer eine große Ernsthaftigkeit ausgestrahlt, und Nectovelin spürte sie jetzt. Vespasian tötete Menschen in rauen Mengen; das war seine Aufgabe. Aber er genoss es nicht.
    Außer von seinen Stabsoffizieren wurde Vespasian
von einem jüngeren Mann begleitet, offensichtlich einem Durotriger, der als Dolmetscher diente. Er war sauber, sein Leibrock unbeschmutzt, und er zeigte keinerlei Scham in dieser brennenden Festung seines Volkes. Der junge Mann stellte eine Frage in der Sprache der Durotriger.
    »Ich bin Brigant«, antwortete Nectovelin. Der junge Mann wechselte mühelos zu dieser Sprache.
    »Ich kenne dich«, wiederholte Vespasian durch seinen Dolmetscher. »Jene Nacht in Camulodunum. Du warst der Hanswurst, der versucht hat, den Kaiser zu töten.«
    »Und wenn ich nicht Pech gehabt hätte, wäre es mir gelungen.«
    Vespasian lächelte. »Pech? Aber du hast doch mit deiner Prophezeiung geprahlt. Ich weiß noch, wie ich sie aus deiner verschwitzten Achselhöhle geklaubt habe. Wo ist deine Prophezeiung jetzt? Hat sie das hier vorhergesehen?«
    Nectovelin dachte an die uralte Festung, die jetzt von römischen Legionären zerstört

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