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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wir haben ein politisches System, das nicht vom Naturell seines Führers abhängt – zumindest nicht ganz. Trotz all der unbestreitbaren Qualitäten eurer Kultur ist Britannien in dieser neuen Welt ein Anachronismus. Und beim Zusammenstoß einer höheren Kultur mit einer niedrigeren kann es nur ein Resultat geben.
    Die Zeiten ändern sich, Agrippina! Früher einmal war Rom eine lebensprühende, altehrwürdige Republik, und niemand hätte geglaubt, dass Demokraten die Demokratie aufgäben – doch in Anbetracht der Spannungen, die ein weltweites Imperium mit sich bringt, schickten sich die Römer in die Kaiserherrschaft. Aber die Sonne geht trotzdem nach wie vor auf und unter. Wenn wir eure britannische Identität unterdrücken, gut: Legt sie ab! Die Zukunft gehört Rom – und du bist jetzt eine Römerin.«

    Sie hörte aufmerksam zu und nickte. »Ich weiß deine Worte zu schätzen, Herr, aber …«
    »›Aber du bist ein aufgeblasener alter Narr!‹« Er lehnte sich mit einem Seufzen zurück. »Siehst du, ich bin ein solch weiser Herrscher, dass ich sogar deine Sätze für dich beenden kann. Und was ist mit euch beiden? Ich habe das Band zwischen euch gesehen, selbst in jener schwierigen Nacht in Camulodunum. Erblüht die Liebe hier im freundlichen römischen Licht?«
    Es zahlte sich aus, einem Kaiser zu sagen, was er hören wollte, aber sie sah keinen Sinn darin, ihm etwas zu verheimlichen, was offensichtlich sein musste. »Wir haben uns auseinandergelebt.«
    »Aber du hast Cunedda doch geliebt!«
    »Das stimmt. Aber …« Aber die gewaltige Erschütterung der Invasion hatte ihre kleinen menschlichen Pläne über den Haufen geworfen, und Agrippina schien durch den Tod ihres Bruders vorzeitig gealtert zu sein. »Ich habe mich ihm wohl einfach entfremdet.«
    Er musterte sie. »Ich glaube, ich verstehe. Aber sag mir: Wenn ihr nicht mehr verliebt seid, was habt ihr jetzt für Pläne?«
    »Pläne?« Sie runzelte die Stirn. »Du machst die Pläne.«
    Claudius schaute verärgert drein. »Nun, dann erzähl mir, wovon ihr träumt.«
    »Cunedda ist Töpfer, wie sein Vater vor ihm. Ich glaube, er möchte gern nach Hause. Zurück nach Britannien. Und das Geschäft seiner Familie wiederaufbauen.«

    Claudius nickte. »Eine kluge Entscheidung. Glaub mir, da ihr nun zu Rom gehört, wird es einen Markt für seine Tonwaren geben!« Er tippte sich an die Zähne. »Ich sehe keinen Grund, den Jungen hierzubehalten – j edenfalls nicht über den Triumphzug im nächsten Jahr hinaus. Ich werde mit Narcissus darüber sprechen.«
    Sie nickte. »Danke.«
    »Und was ist mit dir?«
    »Ich würde gern in Rom bleiben«, erklärte sie mit fester Stimme. »Wie du gesagt hast, ich bin jetzt eine Römerin. Und ich glaube, ich bin einigermaßen intelligent. Vielleicht könnte ich Schreiberin werden – Chronistin.«
    »Oh, vielleicht findet sich etwas noch Besseres. Ich sehe gute Ansätze bei dir. Als Barbarin, ja schon als Nichtrömerin wirst du mit Vorurteilen konfrontiert sein; das möchte ich dir nicht verhehlen. Aber du könntest einen passenden Gemahl in einem angemessenen Beruf unterstützen: einen Advokaten vielleicht, oder einen Geldverleiher.«
    »Vielleicht gehe ich aber auch meinen eigenen Weg«, sagte sie.
    Er zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Du bist wahrhaftig ehrgeizig.«
    Mehr als selbst du es ahnst, dachte sie bei sich. Immerhin war sie schon weit gekommen. Sie hatte den Sturm der Invasion überlebt. Sie hatte ein Mordkomplott gegen einen Kaiser geschmiedet und auch das überlebt. Nun war sie hier, eine Frau vom Rand der Welt im Zentrum von allem.

    Und obwohl ihr Hass auf Rom bedeutungslos geworden war, so vollständig war sein Sieg über sie, verbarg sie noch immer einen dunklen Ehrgeiz in ihrem Herzen.
    Claudius hatte sich erneut in seine Bücher und Pergamente vertieft. Wahrscheinlich hatte er bereits vergessen, dass sie hier war. Mit einer Verbeugung zog sie sich zurück und verließ den Raum.

XXIV
    Als die Römer ihre Belagerungswaffen ernstlich einzusetzen begannen und über die brennenden Mauern der Hügelfestung eine Wolke von Geschossen gesegelt kam, deren Eisenspitzen die bloßen Schädel sich in Drohgebärden ergehender Durotriger-Krieger durchbohrten, wusste Nectovelin, dass der Krieg verloren war und Britannien zeit seines Lebens nicht mehr frei von Römern sein würde. Und als ein Bolzen sein Bein durchstieß – er spürte, wie seine Kniescheibe gleich einem Stück Keramik zersplitterte –, wusste

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