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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wurde. Er dachte an die catuvellaunischen Bauern, die das Kettenhemd ihres Großvaters angezogen hatten und mit der Erwartung in die Schlacht gezogen waren, einen Zusammenstoß von Recken mitzuerleben, nur um stattdessen an einen römischen Fleischwolf zu geraten.
    »Nein, davon hat sie nichts gesagt«, erwiderte er. »Aber die Prophezeiung verheißt Freiheit für jeden Menschen, lange nachdem du tot bist, Römer.«
    »Aber nicht für dich.«

    »Nein, nicht für mich. Ich sterbe für diese Freiheit, und für Coventinas steinernes Herz.«
    Und damit stieß Nectovelin seine Arme durchs Netz. Er riss sich an einer Hand die Haut ab und spürte, wie an der anderen ein Finger brach, aber er bekam die Hände durch das Gewebe und um Vespasians Hals, bevor ein Stabsoffizier mit seinem Stichschwert vortrat und ihm den Bauch aufschlitzte.

XXV
    Nach ihrer Entlassung aus dem Haushalt des Kaisers Claudius fand die vierundzwanzigjährige Agrippina eine Anstellung als Buchhalterin. Sie arbeitete bei einem Geldverleiher, einem dicken, freundlichen Mann namens Marcus Crassus Cerealis, den sie schließlich heiratete.
    Trotz ihrer Ausbildung und Erziehung in Gallien fand Agrippina das Leben in Rom sehr seltsam. Das lag nicht nur an den Dimensionen und der lärmenden Geschäftigkeit dieser Welthauptstadt, sondern an den kleinen Dingen. In Eburacum war sie inmitten großer, weitläufiger Familienverbände aufgewachsen, in denen Ehen vergänglich waren, jeder im Rundhaus Verantwortung für die Kinder trug und Frauen weitgehend dieselbe Macht hatten wie Männer. Jetzt saß sie mit Cerealis, der trotz seines sanften Wesens eindeutig erwartete, dass sie allein ihm eine Familie schenkte, in einer Flucht winziger, abgeteilter Räume fest.
    Aber sie hatte sich dieses Leben selbst ausgesucht, und sie blieb dabei. Mit der Zeit gebar sie Cerealis zwei gesunde Mädchen, die sie auf römische Weise erzog.
    Sie verließ Rom nicht mehr, verfolgte jedoch stets
aufmerksam die Geschehnisse in ihrer Heimat, Britannien.
    Aulus Plautius diente vier Jahre lang als Britanniens erster Statthalter. In dieser Zeit schuf er eine neue Provinz, Britannia , die den südöstlichen Teil der Insel umfasste. Die alten Stämme wurden reine Verwaltungseinheiten, civitates , in der römischen Provinz. Camulodunum, einst die Hauptstadt eines catuvellaunischen Reiches, verwandelte sich in eine Kolonie altgedienter Soldaten, die erste echte Römerstadt in Britannien, und wurde in Colonia Claudia umbenannt. Die Ausbeutung der Britannier begann unverzüglich mit der systematischen Abschöpfung des überschüssigen landwirtschaftlichen Reichtums der Provinz. Es gab Getreideabgaben und Frondienste, und bald wurde ihnen auch ein formalisiertes Steuersystem aufgezwungen.
    Im Westen leistete Caratacus erstaunlicherweise noch acht Jahre lang Widerstand. Wie Nectovelin richtig erkannt hatte, schätzte man ihn bei allen Volksstämmen Britanniens als den einzigen Mann, der vor den Römern niemals die Waffen gestreckt hatte – obgleich er nie einen Kampf gewann. Agrippina schämte sich dafür, dass er schließlich von ihrer Königin Cartimandua verraten wurde, der viel daran lag, mit den Römern zu kooperieren. Sie erlebte mit, wie Caratacus nach Rom gebracht und im Triumphzug durch die Stadt geführt wurde. Den Römern gefiel sein Trotz, jetzt, wo er besiegt und ungefährlich war, und sie sahen in ihm Eigenschaften, die sie selbst verloren zu haben
glaubten. Agrippina war bestürzt, dass Caratacus in der Erinnerung nicht als der überleben würde, der er war, sondern nur als Element der römischen Geschichtsschreibung. Nachdem er nun ausgedient hatte, wurde er begnadigt und in Rente geschickt, und sie hörte nie wieder etwas von ihm.
    Die Zeit verging, und der Wandteppich der Geschichte wurde Faden für Faden weitergewebt. Der Sekretär Narcissus stolperte schließlich über die komplizierte Innenpolitik der kaiserlichen Familie. Agrippina, die immer befürchtet hatte, der Grieche könne für die Demütigung in jener Nacht in Camulodunum Rache nehmen, freute sich insgeheim über seinen Sturz. Trauriger war sie über Claudius’ Tod; man munkelte, er sei von seiner manipulativen neuen Gattin vergiftet worden. Agrippina sah eine gewisse Ironie darin, dass der gebrechliche Kaiser einen Anschlag im fernen Britannien überlebt hatte, nur um von einer Familienangehörigen in seinem eigenen Bett ermordet zu werden.
    Währenddessen litten die Britannier unter der Herrschaft ihrer »zwei

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