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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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kommt, um zu vereinen«, sagte sie. »Nicht, um zu erobern wie Claudius, oder um seiner Eitelkeit zu frönen wie Nero. Sie nennen ihn ›Konsolidator‹. Schau dich um, Brigonius. Glaubst du, dass irgendwer von diesen Leuten, und sei es das kleinste Kind, jemals den Tag vergessen wird, an dem er den Kaiser persönlich gesehen hat?«
    Brigonius grunzte. »Soweit ich höre, gibt es jede Menge Leute, die nicht vergessen werden, wie viel es sie kostet, ihn zu bewirten.«
    Severa lachte. »So jung und schon so zynisch!«
    Schließlich lösten sie sich aus der Menge. Sie kamen an eine Absperrung, hinter der Soldaten in Paradeuniformen mit leuchtend roten Mänteln und bunten Helmbüschen patrouillierten. Severa sprach mit einem der Soldaten und gab ihm eine Nachricht auf einem Stück Holz; er warf einen Blick darauf und eilte davon, um einen Vorgesetzten zu finden.
    Von hier aus konnte Brigonius Rutupiae sehen. Es war ein großer Hafen, ja sogar eine ziemlich große Stadt. Rechteckige Gebäude aus Stein und Holz breiteten
sich um ein Hafenbecken aus, und das mit Ziegeln gedeckte Dach einer überaus prächtigen mansio , einer Herberge für besonders berühmte Besucher, glänzte wie poliert. Auf dem Meer lagen Schiffe vor Anker, vielleicht die, mit denen den Kaiser von Gallien aus den Ozean überquert hatte. Schwer und komplex, wirkten sie mit ihren aufgerollten Segeln wie auf den blauen Himmel gemalt.
    Und im Vordergrund erhob sich alles beherrschend dieser vierbeinige Triumphbogen über die schnurgerade Straße von Westen; seine vier Säulen sahen wie die Beine eines Riesen aus. Mit weißem, aus Italien eingeführtem Marmor verkleidet, leuchtete er in der Sonne, nicht weniger als achtzig Fuß hoch: das Tor zum römischen Britannien. Brigonius, der Steinbrecher, fragte sich, wie der Architekt verhindert hatte, dass das Monument im weichen Küstensand versank. Es musste tiefe, massive Fundamente haben.
    Um die Beine dieses imposanten Bauwerks drängten sich Menschen, die wie Zwerge wirkten. Auf der Kreuzung unter dem Bogen errichteten Zimmerleute eine Bühne. Überall liefen Soldaten umher; Brigonius sah Legionsfahnen, das Funkeln der Windungen von Signaltrompeten. Es war ein echtes Schauspiel.
    Ein Dekurio kam auf Severa zu und winkte sie nach vorn. Mit einiger Erleichterung löste sich Brigonius aus dem Gedränge und ging mit den Frauen zur Bühne.
    »Du warst vermutlich noch nie hier, Brigonius«, sagte Severa leise. »Ruft dieser Anblick tief in deinem Innern einen Widerhall hervor?«

    »Ich verstehe nicht.«
    »Hier sind die Römer unter Claudius in Britannien gelandet. Damals gab es hier natürlich nichts, nur ein Stück Strand, keine Hafenanlagen …«
    »Und kein hässliches Monument«, sagte Lepidina.
    »Und meine Großmutter und dein Urgroßvater Cunedda haben diese Landung miterlebt«, fuhr Severa fort. »Das hat Agrippina jedenfalls immer behauptet.«
    Brigonius war nicht beeindruckt. »Nun, hier wimmelt es heute nur so von Römern.«
    »Ein Kaiser kann schwerlich allein reisen. Wie ich höre, sind es achttausend Soldaten und wahrscheinlich ebenso viele Verwaltungsbeamte – Schreiber und Buchhalter und Advokaten –, die ganze Reichsregierung ist mit ihm unterwegs. Und dann all die Köche und Putzfrauen, die Ärzte und Veterinäre, die Dichter und Musiker und Architekten und Schauspieler. Der Hof ist eine mobile Stadt. Kein Wunder, dass die Provinzbewohner über die Kosten schimpfen!«
    Sie fanden einen Platz inmitten der Menge, die sich vor der Bühne versammelte, und machten sich auf eine längere Wartezeit gefasst.
    Severa ließ nicht locker. »Denkst du jemals an die Vergangenheit, Brigonius? An die Zeit Agrippinas und Cuneddas, die Zeit der Invasion, jene kurzen Tage, die seither unser Leben geprägt haben? Die Zeit häuft sich erbarmungslos auf. Dein Norden ist noch immer unruhig, aber der letzte große Aufstand im Süden, als die Städte brannten, liegt schon sechzig Jahre zurück. Sechzig Jahre .«

    Brigonius wusste darüber Bescheid. Als Boudicca Camulodunum niedergebrannt hatte, waren seine Großeltern noch Kinder gewesen. Sie hatten es überlebt, sich aber bis zu ihrem Tod vor jedem Alarm, jedem Aufruhr gefürchtet – und vor dem Geruch von Feuer.
    »Und rund zwanzig Jahre davor hat die Invasion stattgefunden«, fuhr Severa fort. »Allmählich verblasst all das, es verschmilzt mit der Vergangenheit. Heute erinnert sich niemand mehr an ein römerloses Britannien.«
    Lepidina schien sich zu

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