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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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von einem kaum greifbaren Volk bewohnt, das einfach nicht zu verstehen schien, wann es besiegt war –, und Agricolas auf die Garnisonsfestungen verteilte Streitmacht war über die Maßen verstreut worden. Als dann Truppen aus Britannien abgezogen worden war, um sich mit Problemen an der Donau zu befassen, hatten sich die Römer nach Brigantien zurückziehen müssen.
    Woanders im Reich wurden ähnliche Grenzen erreicht. Domitians Nachfolger Trajan, ein weiterer auf Expansion erpichter Soldatenkaiser, hatte große Gebiete im Osten des Reiches hinzugewonnen. Aber gegen Ende seines Lebens waren seine Kräfte von Schwierigkeiten
an den langen, verwundbaren Grenzen des Imperiums – in Mesopotamien, Afrika, ja sogar erneut im nördlichen Britannien – aufgezehrt worden. Und während er abgelenkt gewesen war, hatten sich die Juden im Osten zu einer gewalttätigen Revolte erhoben, die ebenso gewalttätig niedergeschlagen worden war.
    Diese komplexe, instabile Lage hatte nun Hadrian geerbt, Trajans Nachfolger, der mit seinem Mentor im Feld gedient hatte.
    »Ihr müsst verstehen, wie diese Römer denken«, sagte der Architekt Xander. »Früher haben sie geglaubt, sie könnten ihre Eroberungsfeldzüge endlos fortsetzen. Wieso auch nicht? Schließlich wurden ihre Feldherren reich dabei. Expansion finanziert neue Expansion, und immer so weiter. Warum nicht bis ans Ende der Welt? Aber in Wahrheit kommen die Römer nicht weiter als der Pflug …«
    Als die Römer aus ihrem Kernland im Mittelmeerraum nach Norden und Süden, Osten und Westen vorgedrungen waren, hatten sie Länder erobert, in denen es bereits Landwirtschaft gegeben hatte, Länder, deren Ausbeutung ihre Stadt reich gemacht und ihnen die Mittel zur weiteren Expansion zur Verfügung gestellt hatte. Aber Rom konnte keine Wüsteneien erobern. Das Imperium sei also wie ein Meer, sagte Xander, das ansteige und das landwirtschaftliche Herz Europas überschwemme. Aber im Osten werde es von den Parthern eingedämmt, und im Norden, Westen und Süden brächen sich seine Wellen an Gestaden aus Wäldern, Wüsten und Bergen.

    Xander war um die fünfzig, ein Mann mit rundem, rotem Gesicht und ergrauendem Haarschopf. In seiner schlecht sitzenden Toga, die Finger mit Sägemehl von seinen Spielzeugkastellen bestäubt, wirkte der Grieche erstaunlich weltfremd. Aber Severa hörte ihm zu, und Brigonius erkannte allmählich, dass die Griechen, die als kulturelle Ahnherren der Römer galten, die Dinge ganz anders sahen als ein unterjochtes Volk wie sein eigenes.
    Nun lächelte Xander. »Wie Alexander haben die Kaiser über den Rand der Welt geschaut und sind zurückgeschreckt, und ihr Geist hat sich bewölkt.«
    Hadrian, im Alter von vierzig Jahren zum neuen Kaiser ernannt, hatte eine politische Wende eingeleitet. Er wollte Trajans teuer erstandene neue Gebiete aufgeben und sich mit dem Reich nach Möglichkeit innerhalb »natürlicher Grenzen« – Wüsten und Flüsse – einigeln. Und wo es nötig war, würden solche Grenzen befestigt werden.
    Als Brigonius darüber nachdachte, erschien ihm das in zunehmendem Maße als ein bemerkenswertes Projekt, denn wenn Hadrian damit Erfolg haben wollte, musste er die römische Denkweise umkrempeln. Wenn die Römer keine expansiven Eroberer mehr wären, müssten sie ihr Imperium in eine Gemeinschaft verwandeln. Selbst das Heer müsste umstrukturiert werden, von einer mobilen Kampftruppe in eine Streitmacht, die befestigte Grenzen verteidigte.
    »Natürlich hat er seine Widersacher«, sagte Xander leise. »Es gibt jede Menge Heerführer, die beim
Beutemachen gern ihren Vorgängern nacheifern würden. Kritiker im Senat sagen, hinter einer Mauer zu sitzen und mit einem Speer nach seinen unbezwungenen Feinden zu stochern, sei nicht die römische Art – aber die Hälfte von ihnen sind Narren, die immer noch von der Republik träumen und keine große Rolle spielen. Manche fragen sich auch, ob Hadrian auf lange Sicht nicht einen dramatischen Fehler begeht, indem er die Expansion beendet, die Roms Wirtschaft stets angekurbelt hat – obwohl wir zweifellos alle tot sein werden, bevor jemand das beantworten kann.«
    »Eine bewundernswerte Zusammenfassung, Architekt«, sagte Karus. »Aber soweit es uns betrifft, läuft Hadrians Dilemma auf Folgendes hinaus: Wenn man nicht expandieren will, muss man die Grenzen stabilisieren.«
    Mit typisch römischer Großartigkeit beabsichtigte Hadrian, die Grenzen seiner nördlichen Provinzen zu einer einzigen

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