Imperator
ihm haftete.
Und natürlich beugte Karus sich zu ihm herüber. »Glückwunsch«, flüsterte er ein wenig betrunken.
Brigonius fluchte. »Ist es so offensichtlich?«
»Deine schiere animalische Freude ist unübersehbar, ja. Ich gratuliere dir; sie ist wirklich reizend. Aber keine Angst, ich nehme sie dir nicht weg, obwohl ich es natürlich könnte. Wie gesagt, ich habe nur Augen für die Mutter …«
Severas Augen funkelten, und sie schien sich insgeheim zu vergnügen. Severa wusste natürlich Bescheid; wenn Karus es gemerkt hatte, dann sie garantiert auch. Und Lepidina wusste, dass sie es wusste.
Was Brigonius betraf, so wusste er nur, dass diese komplizierten Frauen und ihre Spielchen über seinen Horizont gingen. Aber Lepidina war es wert.
Und unter all dem verspürte er auch etwas nicht Greifbares. Seine Gefühle für Lepidina gingen über körperliches Begehren hinaus, und zwar schon seit dem Moment, da er sie kennengelernt hatte. Da war auch Zärtlichkeit. Verwandelte sich nach ihrer gemeinsamen Stunde am Vormittag diese Zärtlichkeit jetzt etwa in Liebe? Wie anfällig würde er dadurch für Severas Machenschaften?
Zu Brigonius’ Erleichterung wurden nun die ersten Gerichte aufgetragen, sodass sich ihrer aller Aufmerksamkeit auf andere Dinge richtete. Als Vorspeise gab es Salat, Eier und Austern von der Küste – und Schnecken, große, salzige Tiere aus Gallien. Karus, Xander und Severa langten ordentlich zu. Lepidina aß weniger, aber sie genoss jeden Bissen, das sah man ihr an.
Brigonius tat sein Bestes. Als die ersten Teller abgeräumt wurden, war er bereits satt, aber bald darauf folgten weitere Teller, weitere Speisen. Er erfuhr, dass es mehrere Hauptgänge geben würde, darunter Wildschwein, Reh- und Schweinefleisch sowie Haselmäuse, Hähnchen, Gänse, Drosseln und Pfauen; noch mehr Fisch und Meeresfrüchte – und schließlich, in ferner Zukunft, einen Nachtisch aus Obst und Gebäck mit viel Honig. Selbst das Gemüse war ihm unbekannt. Lepidina zählte mit sanftem Spott in der Stimme römische Importe wie Kohl, dicke Bohnen, Pastinaken, Erbsen und Sellerie auf. All dies wurde auf erlesenen
Keramik- oder Silbertellern serviert, und obwohl man mit den Fingern aß, gab es eine verwirrende Vielfalt von Bestecken: spezielle kleine Gabeln, mit denen man Austern aus ihren Schalen pulte, Messer, mit denen man Fleisch vom Knochen kratzte. Brigonius staunte ohne Unterlass, welch ein großes Sortiment von Dingen einem wohlhabenden Römer zur Verfügung stand.
Er gab nicht auf. Er probierte, was er erkannte, aber der eigenartige Geschmack der Soßen schreckte ihn immer wieder ab. Alles schien gleichzeitig süß und sauer zu schmecken, und die Römer übergossen jedes Gericht mit einer widerwärtigen Fischsoße.
Severa sah ihn ärgerlich an. »Lass es stehen, wenn du willst, aber stochere nicht darin herum. Du isst wie ein Kind.«
»Aber es ist alles so appetitlich«, sagte Brigonius trocken. Er hob eine im Ganzen gedünstete und mit Nüssen und Kräutern gefüllte Haselmaus am Schwanz hoch.
Das brachte Lepidina zum Lachen, aber Severa wandte sich verächtlich ab.
»Und überhaupt«, sagte Karus mit einem großen Bissen Hackfleisch im Mund, »es geht doch nicht ums Essen.« Er seufzte. »Obwohl es so sein sollte. Das Essen sollte immer eine zentrale Rolle spielen. Solange der Kaiser noch nicht da ist, könnten wir unsere Strategie noch einmal überprüfen.«
»Ganz recht«, sagte Severa. »Xander! Komm her. Gehen wir’s noch mal durch …«
Xander, der sich nur widerstrebend beim Essen unterbrechen
ließ, gesellte sich zu Severa, und sie begannen über Reiche, Grenzen und Wälle zu diskutieren.
Hadrian musste die Befestigung der Grenzverläufe ins Auge fassen, weil sein Imperium die natürlichen Ausdehnungsgrenzen erreicht hatte. In Britannien war der militärische Vormarsch von Claudius’ Ausgangsposition bei Rutupiae im fernen Südosten der Insel wie eine Woge über das Land geschwappt und hatte ein Netz aus Kastellen, Straßen und Signaltürmen hinterlassen. Brigantien war die nördlichste politische Einheit, mit der die Römer auf diplomatischem Wege fertiggeworden waren. Unter Kaiser Domitian war der Statthalter Agricola jedoch noch weiter vorgedrungen; er hatte einen massiven Angriff gegen den fernsten Norden unternommen, und seine Schiffe waren ganz um die Nordküste herumgefahren. Aber es war kein angenehmer Feldzug für die Römer gewesen – dieses neblige, sumpfige Bergland wurde
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