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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Verteidigungslinie zu konsolidieren, einem ganz Europa umspannenden System aus Kastellen, Mauern, Erdaufschüttungen und Gräben; es sollte von Kleinasien aus westwärts führen, den großen, den Kontinent leerenden Flüssen folgend nördlich an Dacien, Noricum und Niedergermanien vorbei – und dann über den Ozean nach Britannien springen.
    »Es dürfte wohl ziemlich klar sein, wo die britannische Grenze verlaufen wird«, sagte Karus. »Nördlich von hier, wo sich die Insel stark verschmälert, zwischen den Mündungen der Flüsse Tinea und Ituna.«
    »Schön und gut«, sagte Severa. »Die Frage ist, was
wird er dort bauen? Wir können ihm so viele Pläne und Modelle zeigen, wie wir wollen. Aber was wird diesen Mann davon überzeugen, dass er mit Stein bauen muss und nicht mit Grassoden, wie in Germanien?«
    »Seit Domitians Zeiten haben die Kaiser lineare Verteidigungsanlagen der einen oder anderen Art gebaut«, warf Karus ein.
    »Oh, das dürfen wir nicht erwähnen«, sagte Xander. »Jeder Kaiser möchte glauben, dass er die ganze Welt allein erbaut hat.«
    Brigonius steckte sich ein harmlos aussehendes Stück Fleisch in den Mund. »Tja, mich dürft ihr nicht fragen. Ich bezweifle, dass ich überhaupt etwas verstehen werde. Habt ihr es nicht bemerkt – außer uns sprechen hier alle Griechisch!«
    Karus grunzte. »Und obendrein auch noch eine archaische Form. Wie prätentiös!«
    »Das tun sie dem Kaiser zuliebe«, erklärte Xander. »Seine Familie stammt aus den Provinzen, wisst ihr. Wie alle von sehr niedriger Geburt hat er die höchsten Ambitionen, und darum hat er beschlossen, ein hingebungsvoller Bewunderer alles Griechischen zu sein.«
    Brigonius fand, dass dieser aufgeblasene Wicht von einem Kaiser sprach, als wäre er eine kleine Nervensäge von einem Schuljungen.
    »Nun«, sagte er, »in diesem Fall ist es schade, dass die Griechen keine Mauern aus Stein gebaut haben, denn Hadrian würde es ihnen gewiss gleichtun.«
    Karus schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Möge
Jupiter mir die Rosette vergolden, aber genau das haben sie getan! Oder nicht, Xander? Du solltest es wissen, Mann!«
    Xander nickte mit großen Augen. »Natürlich, natürlich.«
    Karus grinste und packte Brigonius am Arm. »Mein Freund, ich glaube, du hast uns gerade den Sieg verschafft.«
    Severas Blick huschte misstrauisch zwischen dem Advokaten und dem Architekten hin und her. »Ich hoffe, ihr beiden wisst, was ihr tut.«
    Xander war aufgeregt und nervös, aber Karus setzte sein Advokatenlächeln auf. »Vertrau mir.«
    Und nun lief die Zeit ab, ob Severa Karus vertraute oder nicht. Trompeten erschallten, ein deutlich vernehmbares Signal über dem Geplauder. Alle Gesichter wandten sich dem ehemaligen Sklaven Primigenius zu, der neben einem strahlenden Marcus Claudius Verecundus, dem Gastgeber, an der Tür stand. Primigenius rief: »Erhebt euch für Publius Aelius Hadrianus.«
    Und der Kaiser betrat den Raum.
    Hadrian hielt eine kurze, huldvolle Begrüßungsansprache und bat dann alle, Platz zu nehmen und mit dem Mahl fortzufahren. Nach einer angemessenen Zeitspanne traten kleine Gruppen von Bürgern mit ihren Wünschen, Gesuchen, Streitfällen oder Lobgesängen vor ihn hin. Severas Gruppe wartete, bis sie an der Reihe war.
    Brigonius beobachtete den Kaiser fasziniert. Hadrian saß mit seinen Höflingen zusammen und unterhielt
sich angeregt, vielleicht über die Jagd, von der sie gerade kamen. Der korpulente Mann trug eine Toga, aber sein Gesicht war gerötet, das dicke Haar dampfte von Schweiß, und er atmete schwer.
    Er kam Brigonius sofort wie ein Bündel von Widersprüchen vor. Man merkte, dass er zugänglich wirken wollte, aber sein Auftritt hätte nicht dramatischer sein können, wenn er zu Pferde hereingeritten wäre. Er strebte nach der griechischen Kultur, und doch verströmte er die urtümliche Faszination der Jagd. Er war der reichste Mann der Welt, die Quintessenz von Rom – und doch trug er einen Barbarenbart, um dessen Pracht Brigonius ihn beneidete. Seine Haut war von den Narben einer Krankheit gezeichnet: ein weiterer Widerspruch, dass der mächtigste Mensch der Erde von einer Krankheit befallen sein sollte, die auch den gewöhnlichsten niederstrecken konnte.
    Und obwohl es niemanden gab, der mehr Macht besaß als Hadrian, hatte er einen furchtsamen, beinahe gehetzten Blick in den Augen.
    »Ja, ein komplizierter Mann«, flüsterte Severa, die den Kaiser anblickte. »Wo wir von der Zukunft reden: Ich glaube, Hadrian

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