Imperator
ihm selbst ihre Gesellschaft nicht mehr ganz so eisig vor.
Hadrian trank durchaus auch etwas, blieb jedoch auf die Rolle konzentriert, die er spielte. In kleinen Dingen war er gut; Brigonius hörte, wie er einer gemischten Einheit aus Reitern und Fußsoldaten gegenüber sein Verständnis dafür zum Ausdruck brachte, dass es für sie schwerer war, eine spektakuläre Darbietung zu inszenieren, als für eine reine berittene Einheit mit ihrer großen Zahl von Pferden. Jeder schien in seiner Gegenwart zu wachsen, und Brigonius verstand, weshalb er bei seinen Soldaten so beliebt war.
Als römischer Soldat führte man kein schlechtes Leben, fand Brigonius in zunehmendem Maße. Man erhielt regelmäßigen Sold und recht gutes Essen. In den Kasernen gab es Kameradschaft, und in der zivilen Stadt außerhalb des Kastells mit ihren Geschäften, Wirtshäusern, Bordellen und Tempeln fand man immer ein wenig Entspannung oder auch eine Gefährtin, die eines Tages zur Gemahlin werden konnte. In der Kaserne mochte es von Läusen wimmeln, in der Stadt von Krankheiten. Aber die Läuse wurde man im Badehaus los, und wenn man erkrankte, stand ein Lazarett zur Verfügung – das Heer betrieb die einzigen professionellen Krankenhäuser der Welt. Es war durchaus möglich, dass man während seiner ganzen fünfundzwanzigjährigen Dienstzeit nur an zwei oder drei Feldzügen teilnehmen musste – vielleicht blieb einem sogar jedweder Kampfeinsatz erspart. Man war fast mit Sicherheit besser dran als die Brittunculi oder andere
halb zivilisierte Provinzbewohner außerhalb der Mauern des Kastells … Und hin und wieder kam ein Kaiser zu Besuch.
Viele Soldaten hatten sich den üblichen römischen Bräuchen zum Trotz Bärte wachsen lassen, um Hadrians Münzbilder nachzuahmen. Das belustigte Severa. »Schau sie dir an. Des Kaisers Bart ist berühmter als er selbst!«
Zur Mittagszeit zog sich der Kaiser samt seinem Gefolge, mit Brigonius und Severa im Schlepptau, ins Hauptquartier der Festung zurück. An diesem Tag war der größte Aufenthaltsraum im Block als Schrein für viele Götter ausstaffiert worden, und der Tross machte es sich bequem, um einen langen Nachmittag hindurch Speis und Trank und der Wahrsagerei zu frönen. Zu Beginn seines großen Projekts war Hadrian auf der Suche nach guten Vorzeichen. Seit Tagesanbruch hatten seine Philosophen den Himmel beobachtet und nach ungewöhnlichen Wolken und Vögelschwärmen mit vielversprechenden Flugmustern Ausschau gehalten. Nun wurden Tiere auf Kohlebecken verbrannt, man stocherte in Innereien herum, betete zu Statuen und brachte Trankopfer dar, während Gelehrte sich durch Schriftrollen mit Prophezeiungen und Deutungen arbeiteten.
Nur der finstere Freigelassene Primigenius saß abseits von alledem und beobachtete die Geschehnisse, wie er es immer trat.
Severa wich Brigonius nicht von der Seite; sie war wie eine Gefängniswärterin, und Brigonius hatte
nichts anderes zu tun, als zu trinken. Die eintönigen Monologe der Philosophen und die dicke, vom Weihrauch dunstige Luft erweckten in ihm das Gefühl, außerhalb seines Körpers zu schweben. Er versuchte, ein Gespräch mit Severa in Gang zu bringen. »Römer sind stets abergläubisch, nicht wahr?«
»Und keiner mehr als Hadrian«, sagte sie. »Aber das ist nicht weiter erstaunlich. Er ist ein Soldat, der sich damit abgefunden hat, nach seinem Tod zu einem Gott erhoben zu werden – in Ägypten beten sie ihn sogar jetzt schon an. Wie wäre das für dich, Brigonius? Kannst du dir das überhaupt vorstellen? Wärst du nicht auch fasziniert von der Vergangenheit und der Zukunft, wenn du glaubtest, dass du eines Tages die Zeit selbst überwinden könntest?«
Derartige philosophische Erwägungen verwirrten Brigonius bestenfalls; jetzt flatterten die Worte in seinem Kopf herum. »Abergläubisch oder nicht, er ist immer noch ein Soldat. Und man merkt, dass er nach wie vor ein Gespür für seine Männer hat.« Er erspähte den Präfekten Tullio, der nahe bei Statthalter Nepos saß. Tullio schwieg, und sein Gesicht war wie Donner. »Aber es gibt einen Soldaten, dessen Leben der Besuch des Kaisers nicht verbessert zu haben scheint.«
»Oh, für unseren Freund, den Präfekten, sind die Dinge nicht so gut gelaufen«, sagte Severa mit seidiger Befriedigung. »Er sitzt zwar noch auf seinem Posten, aber er hat einige Privilegien eingebüßt. So sind beispielsweise seine Frau und seine Kinder aus der Festung geworfen worden.«
»Weshalb?«
Sie
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