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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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betrachtete ihre langen, perfekt manikürten Finger. »Wegen dieser Lösung, die du mit deinen Saufkumpanen ausgeheckt hast. Ein Wall, der zur Hälfte aus Stein, zur Hälfte aus Grassoden besteht.«
    Brigonius wusste, wie unzufrieden sie mit dieser Vereinbarung gewesen war, nicht zuletzt, weil sie dem Wortlaut ihrer Prophezeiung widersprach. »Nicht ganz zur Hälfte …«
    »Sei still«, sagte sie kalt. »Mir ist nichts anderes übrig geblieben, als es zu akzeptieren. Aber es hat mich einige Mühe gekostet, es dem Kaiser zu verkaufen – oder genauer, dem Freigelassenen Primigenius. Ich musste ihm einige Gefälligkeiten versprechen.«
    »Was für Gefälligkeiten?«, fragte er besorgt.
    »Und trotz alledem hielt ich es noch für notwendig, jemand anderem einen Teil der Verantwortung zuzuschieben. Ich freue mich, sagen zu können, dass man die Schuld an den Abweichungen von der ursprünglichen Planung unserem rüpelhaften germanischen Freund Tullio zugeschrieben hat, nicht mir und auch nicht Xander.«
    Brigonius, den Kopf voller Bierdunst und Rauch, hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. »Das ist ungerecht gegenüber Tullio. Er tut nur seine Pflicht. Und du hast dir ohne Not jemanden zum Feind gemacht. Das ist eine schlechte Angewohnheit, Severa.«
    »Natürlich ist es ungerecht, aber das macht es ja nur umso süßer. Das wird ihn lehren, mich ›Schätzchen‹ zu nennen.«

    Etwas in ihrem Ton alarmierte Brigonius, aber er schien außerstande zu sein, sich aufrecht hinzusetzen. »Diese Gefälligkeiten, die du versprochen hast …«
    Ihr Gesicht zeichnete sich undeutlich vor seinen Augen ab. »Du bist noch nicht ganz hinüber, nicht wahr, kleiner Britannier? Das Gift, das ich dir ins Ale tun ließ, wird dich aber bald vollständig im Griff haben.«
    »Gift?«
    »Oh, es wird dir nicht schaden. Dein Körper wird nur für einen Sonnenuntergang und einen Sonnenaufgang nicht mehr deinem Willen gehorchen.« Sie fuhr ihm mit einer Fingerspitze über die Brust. »Wie schrecklich für dich. Aber mach dir nichts daraus, es gibt da jemanden, der imstande sein wird, deinen schönen Körper zu benutzen, während du weggetreten bist. Du hast es dir schon gedacht, nicht wahr? Du bist die Gefälligkeit , die den Handel versüßt, zu dem du mich gezwungen hast. Es ist keineswegs meine Entscheidung, o nein, es ist einfach eine Folge deiner eigenen Handlungen. Das ist dir doch klar, oder nicht?«
    Auf einmal fiel Brigonius wieder ein, wie Hadrian ihn angesehen hatte. Zorn und Angst überfluteten ihn, aber er konnte sich immer noch nicht bewegen; er rollte auf seiner Liege herum, eine hilflose Puppe, die Glieder so schwer wie Holzscheite. »Was hast du getan – hast du mich Hadrian versprochen?«
    Nun zeichnete sich ein anderes Gesicht über ihm ab: bleiche Haut, schwarze Augen, Lippen wie eine Wunde.
    »O nein, nicht dem Kaiser«, flüsterte Severa ihm
ins Ohr. »Für den bist du weder hübsch noch jung genug. Sondern Primigenius, der über die Macht verfügt, die ich brauchte. Er ist nicht gerade begeistert über unseren Vorschlag, weißt du; er hat nämlich seinen eigenen Lieblingsarchitekten, den er gern gefördert hätte. Und dann ist da die simple Eifersucht eines Bettwärmers gegenüber dem anderen. Primigenius gelüstet es nach dir, aber gleichzeitig hasst er dich, denn er weiß, dass du dem Kaiser ins Auge gefallen bist, wenn auch nur kurz. Ist das nicht paradox? Wird es nicht die Nacht würzen, die ihr gleich miteinander verbringen werdet?« Sie kam noch näher; er spürte ihren Atem an seinem Ohr, roch die Gewürze auf ihrer Zunge. »Und wenn er in dir gewesen ist, Brittunculus , wird meine Tochter dich nie wieder anrühren.«
    Dieser rote Mund senkte sich auf ihn herab, aber er konnte sich nicht bewegen, konnte sich nicht wehren, konnte nicht einmal schreien.

XIII
    Brigonius ritt westwärts Richtung Banna, an der Linie des Walls entlang.
    Ein Jahr nach Hadrians Entscheidung hatte sich jener Teil Brigantiens in eine riesige Baustelle verwandelt. An diesem strahlenden Morgen im späten Frühling sah Brigonius von höher gelegenem Gelände aus eine Schneise aus aufgerissenem Erdreich, die über die Klippen und grün gekleideten Hügel von einem Horizont zum anderen führte, markiert von den Fähnchen und Stangen der Landvermesser und braun zernarbt von Wagenspuren und den Abdrücken von Füßen und Hufen. Es war ein Schnitt durch das grüne Fleisch der Landschaft. Und überall an ihm entlang schufteten

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