Imperator
lateinische Sprache und bezahlte mit der Währung des Reiches. Das Heer war ein Quell der römischen Lebensart, seine Wälle und Kastelle waren eine steinerne Woge der Akkulturation.
Jedenfalls wurden zur Errichtung des Walls so große Steinmengen abgebaut, dass Brigonius und seine Familie selbst bei den »ruinösen« Preisen der Römer heimlich, still und leise reich wurden.
Matto erzählte eine lange und komplizierte Anekdote über das Verhalten eines besonders unausstehlichen Dekurios im Steinbruch. Brigonius schnitt ihm das Wort ab. »Heute bist du noch schlechter gelaunt als sonst, Vetter. Irgendwas ist dir auf die Nüsse gegangen. Was ist los?«
»Unter den Leuten herrscht große Empörung«, sagte Matto. »Es ist wegen der Steuerschätzung.«
»Noch eine?«
»Sie bauen ihren kostbaren Wall auf frisch gepflügtes Land, Brigonius. Auf mein Land. Und nun erklärt man mir auch noch, dass ich höhere Steuern für ihn entrichten muss. Und wenn ich mein Vieh künftig von einem Feld zum anderen bringen will, muss ich ein römisches Tor passieren und Zoll bezahlen!«
»So ist es nun mal, Matto. Wenn du eine Beschwerde hast, wende dich an den Gemeinderat.«
»Was hätte das für einen Sinn?«, erwiderte Matto entrüstet. »Dieses Pack hat sich doch längst an die Römer verkauft.« Ein großer Teil der brigantischen Edelleute war in die Regierung der civitas einbezogen worden, des römischen Verwaltungsbezirks, der den Namen des alten Stammesgebiets übernommen hatte. »Na schön«, sagte Matto jetzt düster, »man spricht davon, etwas zu unternehmen.«
Brigonius verlor allmählich die Geduld. Jedes Mal, wenn er mit Matto geschäftliche Dinge besprechen wollte, musste er sich dieses Geschwätz anhören. »Was denn zum Beispiel? Was wollt ihr machen, den Statthalter mit Steinen bewerfen?«
»Kein Wunder, dass du das sagst«, erwiderte Matto höhnisch. »Manche behaupten, du seist inzwischen römischer als die Römer.«
Brigonius ließ sich nichts anmerken. »Dann gibt es nichts mehr zu sagen, nicht wahr?« Er klopfte auf die Aufzeichnung. »Danke dafür. Wir sehen uns nächste Woche.« Und er drehte sich wieder zum Schauspiel seines Steinbruchs und der schwer arbeitenden Legionäre um. Er hörte, wie Matto zu seinem Pferd stapfte.
Brigonius wusste, dass er ein leichtes Ziel für den Groll seiner Landsleute bot, weil er viel zugänglicher war als ein Ratsmitglied. Am meisten machte ihm bei solchen Zusammenstößen jedoch die Erinnerung daran zu schaffen, was ihm vor einem Jahr in Eburacum angetan worden war. Er war bei Bewusstsein gewesen, hilflos, aber bei Bewusstsein, als Primigenius sich an ihm vergangen hatte. Als er es schließlich gewagt hatte, sich Lepidina wieder zu nähern, war sie vor ihm zurückgescheut, als ob der Gestank des Freigelassenen noch an ihm haftete. Was man ihm angetan hatte, war doch wohl schlimmer als irgendso ein kleiner Landraub, wie ihn Matto und seine Freunde über sich ergehen lassen mussten.
Aber die Römer waren wie das Wetter oder wie das Verstreichen der Zeit; man konnte nichts gegen sie tun, man musste mit ihnen zusammenarbeiten oder sich davonschleichen und sterben. Das war es, was Matto einfach nicht einsehen wollte.
Und wegen dem, was ihm in jener Nacht widerfahren war, machte er weder den Römern noch dem Kaiser
Vorwürfe, nicht einmal dem verbitterten Freigelassenen Primigenius. Die Falle, in die er gegangen war, hatte ihm eine Frau gestellt: eine Römerin, aber von der Abstammung her seine eigene Landsmännin, Claudia Severa.
Vorläufig gab es jedoch eine Menge zu tun. Er wendete sein Pferd und machte sich auf den Weg nach Banna.
XIV
Brigonius’ Geburtsort lag unweit der Stelle, wo die westliche Wallkonstruktion aus Grassoden auf die östlichen Steinmauerabschnitte stieß. Darum sah er den Grassodenwall vor sich, als er Banna an diesem Abend erreichte.
Wenn überhaupt, war er ein noch spektakulärerer Anblick als der Steinwall, denn entlang seiner Linie hatten die Legionäre die Vegetation bis zum darunterliegenden rosa-weißen Geschiebemergel abgetragen. Die Grassoden, die sie gestochen und manchmal aus vielen Meilen Entfernung hierher transportiert hatten – gute Grassoden waren nämlich schwer zu finden –, häuften sich auf einem zentralen Streifen verbliebenen Grüns. Der fertige Wall war vierzehn Fuß hoch und an der Basis zwanzig Fuß breit, in regelmäßigen Abständen unterbrochen von Türmen aus Stein und Holz, und vor der Nordseite des Walls
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