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Imperator

Imperator

Titel: Imperator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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entstand eine Aufschüttung aus weißem Lehm. Als Brigonius also von höher gelegenem Gelände hinabschaute, war der gerodete Streifen deutlich zu erkennen – eine tiefe Schnittwunde in der Landschaft, leuchtend weiß in der Sonne, mit der grünbraunen Linie des Walls in der Mitte.

    Endlich traf er in Banna ein. Südlich des Steilhangs lag immer noch das tief eingeschnittene Tal, und unten strömte der Fluss dahin, so wie immer. Aber die Römer hatten ihre Spuren in der Landschaft hinterlassen. Im Norden führte eine schnurgerade Straße zu den nördlichen Vorposten, und die Hügel, in denen seine Vorfahren einst die liegende Gestalt einer Göttin gesehen hatten, schimmerten jetzt von den Feuern der Wachtürme.
    Banna selbst war nun der Standort eines römischen Lagers. Brigonius sah die Umrisse der Wachposten vor der untergehenden Sonne; ihre bloßen Köpfe und die Spitzen ihrer Speere zeichneten sich deutlich über hölzernen Brustwehren ab. Überall herrschte rege Betriebsamkeit; auf den grob angelegten Straßen, die von Osten, Westen und Süden herbeiführten, wimmelte es von Menschen und Fahrzeugen, und der ehemals grasbedeckte Boden um das Lager herum war eine einzige Schlammwüste. Das Lager selbst kauerte an der Steilwand, im Norden durch einen Komplex aus Gräben – einer davon mit angespitzten Pfählen bestückt – und im Rücken durch die Steilwand vor jeder Bedrohung geschützt.
    Als er sich den Verteidigungsanlagen des Lagers näherte, passierte Brigonius eine Abfolge von Wachposten. Im Innern standen die römischen Lederzelte in ordentlichen Reihen. Natürlich sah er überall Soldaten in ihren ledernen Tuniken und Hosen, ihren Wollmänteln und mit Riemen geschnürten Militärstiefeln. Jetzt trugen noch mehr von ihnen Bärte, einen solchen Eindruck
hatte Hadrian bei seinem Besuch im vergangenen Jahr auf sie gemacht. Das Lager war ein grober Entwurf des Kastells, das hier bald entstehen würde, aber es funktionierte bereits, war schon ein einsatzfähiges Element im Verteidigungssystem der Provinz.
    Früher hatte an diesem Ort eine brigantische Gemeinschaft gelebt. Lange vor Brigonius’ Geburt war hier ein römischer Wachturm gebaut worden, eine klobige Steinsäule, die seine Kindheit überschattet hatte. Der Wachturm stand immer noch, aber sein Zuhause gab es nicht mehr; die Rundhäuser waren zerstört, die Verteidigungsgräben zugeschüttet. Das Einzige, woran Brigonius den Ort noch wiedererkannt hätte, war die elementare Form der Landschaft.
    Brigonius fand Tullio in seinem Zelt. Tullio hatte seinen Haushalt während der diesjährigen Bauzeit hierher verlegt und auch seine Adjutanten mitgenommen; von diesem Ort aus konnte er die Fortschritte des Steinwalls im Osten wie auch des Grassodenwalls im Westen überwachen. Einige seiner Offiziere waren ebenfalls hier, darunter sein enger Berater, der eimerköpfige Dekurio Annius, und er hatte sogar seinen Haussklaven dabei. Karus und Xander waren gerade anwesend; sie saßen mit der gelangweilt dreinschauenden Lepidina zusammen. Als Brigonius sich zu ihnen gesellte, gelangten sie – beschwingt von dem Wein, den ihnen der Sklave servierte – gerade ans Ende einer offenbar weitschweifigen Diskussion über Probleme, die mit dem Wall zu tun hatten.
    Tullio war wie üblich von Papierbergen umgeben.
Das Einsatzsystem des Heeres war ziemlich kompliziert, wie Brigonius gelernt hatte; Abteilungen wurden in alle Winkel die Provinz geschickt, sodass sich zu jedem gegebenen Zeitpunkt vielleicht nur die Hälfte oder zwei Drittel des nominellen Bestands einer Einheit wirklich im Heimatstützpunkt befand. Doch in den Akten der Einheit wurden die Pflichten jedes römischen Soldaten täglich verzeichnet. Dank der pingeligen Buchführung des Heeres konnten die Befehlshaber nicht nur genau feststellen, wo jeder Soldat sein sollte, sondern auch, wo er tatsächlich war. Um dieses ungeheure Gebirge von Aufzeichnungen zu bewältigen, brauchte es ganze Scharen von Schreibern, ein Heer innerhalb des Heeres.
    Heute drehte sich die Diskussion jedoch um den Wall.
    »Ein Kastell pro Meile, zwei Türme pro Meile«, sagte Xander mit fester Stimme. »So steht es im Plan. Und das bauen wir auch.«
    »Und ich sage dir«, entgegnete Tullio, »dass es unmöglich ist. Dein Plan ist gut und schön. Ich bin ein großer Freund von Plänen . Ohne Plan würde mir der Schwanz aus der Unterhose purzeln. Aber ich rede jetzt von Tatsachen , von den Legionären da draußen, die gerade Steine und

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