Imperator
Grassodenblöcke aufeinanderstapeln. Und wenn man versucht, deine Eins-pro-Meile-Regel strikt zu befolgen, Xander, dann pflanzt man Kastelle auf den Boden einer Rinne, wo man die Tore nicht öffnen kann, oder auf den Gipfel eines Kamms, wo man beim Öffnen der Tore in die Tiefe stürzen würde.«
»Römerstraßen führen immer geradeaus«, sagte Karus, selbst ein wenig spöttisch. »Bergauf und quer durch die Täler; jeder weiß das. Willst du behaupten, dass ihr einen simplen Wall nicht nach demselben Muster bauen könnt?«
Tullio ignorierte ihn. »Und es ist nicht nur die Position der Kastelle. Ich höre das Murren der Legionstribunen, die von Eburacum zur Inspektion hergekommen sind. Wie sollten sie bei einem Angriff durch diese Spielzeugstadt-Tore ausschwärmen?«
Xander sagte steif: »Ich habe die Breite und die Anzahl der Tore sorgfältig berechnet, um zu gewährleisten, dass …«
»Ja«, sagte Tullio, »aber die örtlichen Bauern müssen sie ebenfalls benutzen. Was sollen wir dem Legaten der Sechsten sagen, wenn er sich hinter einer Schafherde anstellen muss?«
Das Bild war so absurd, dass Lepidina in allerliebstes Gelächter ausbrach. Brigonius bemühte sich, sie nicht anzusehen.
Er wusste, dass das Wallbauprojekt zur allgemeinen Überraschung tatsächlich nach Plan lief. Aber die Frage der nutzlosen Meilen-Kastelle bereitete Tullio ernsthaft Sorgen.
Tullios Sklave, ein Junge von vielleicht vierzehn Jahren, kam mit einem Becher Wein zu Brigonius. Brigonius nahm ihn entgegen und sagte: »Danke.«
Der Junge wirkte verblüfft, dass er überhaupt bemerkt wurde. »Wohl bekomm’s, Herr«, sagte er und zog sich wieder an seinen Platz zurück.
Brigonius schaute ihm nach und nippte an seinem Wein; es war Soldatenwein, starker, scheußlicher Stoff. Die Sprache des Jungen war britannisch, brigantisch. Sein Wurfname war Similis. Brigonius fragte sich, was Matto wohl dächte, wenn er seinen Vetter jetzt sähe, wie er vom britannischen Sklaven eines germanischen Offiziers im Sold des römischen Heeres Wein kredenzt bekam, während er an einem Wall arbeitete, der die Knechtschaft Nordbritanniens für immer sichern sollte.
Und er sah Lepidina an. Er konnte nicht anders.
Sie saß stumm da, mit gesenktem Kopf, die Hände um einen halb leeren Becher mit blutrotem Wein gelegt. Ein Jahr in den nördlichen Kastellen unter der Fuchtel ihrer Mutter hatte diesem Stadtmädchen nicht gut getan, und es war nichts mehr von der Lebhaftigkeit übrig, die sie während jenes ersten Besuchs in Camulodunum an den Tag gelegt hatte. Sie war ein Vogel in einem steinernen Käfig.
Karus schien das bedrückte Schweigen zwischen ihnen zu bemerken. Während das Gespräch über die Zweckmäßigkeit der Meilen-Kastelle allmählich dem Ende entgegenging, schlenderte der Advokat zu Lepidina herüber, nahm Platz und ließ sich von dem Sklavenjungen den Becher nachfüllen. »Na«, sagte er, »wie geht’s deiner wundervollen Mutter? In letzter Zeit sehe ich sie nicht mehr so häufig.«
»Ich auch nicht«, sagte Lepidina. »Sie ist zu sehr damit beschäftigt, dem Statthalter Briefe zu schreiben.«
»Ja, über die weiß ich Bescheid«, knurrte Tullio und blickte von seiner Diskussion auf. »Da stehen nur lauter gute Nachrichten drin. Sie überlässt es mir, ihm die Wahrheit zu sagen, was sich im Vergleich immer schlecht ausnimmt.« Er seufzte geräuschvoll. »Dieses elende Weibsstück!«
»Sie ist eine schwierige Freundin«, sagte Karus, »aber ich möchte sie nicht zur Feindin haben.«
»Und wie denkt sie über ihre kostbare Prophezeiung, nachdem sie sich nun nicht bewahrheitet?«, fragte Xander.
Lepidina zuckte die Achseln. Karus warf den Soldaten einen unbehaglichen Blick zu. Brigonius wusste, dass die Römer Prophezeiungen, Omen, Wahrsagereien und dergleichen als Quellen der Macht betrachteten – und man musste vorsichtig sein, erst recht unter einem Kaiser, der sich geradezu zwanghaft Gedanken über sein eigenes Schicksal machte. Aber Severa und ihre Familienprophezeiung waren am Wall zu einem beliebten Gesprächsstoff geworden, und viele machten sich darüber lustig.
»Komische Sache, das mit der Prophezeiung«, sagte Annius auf seine vergnügte Art. »Da steht tatsächlich drin, dass Hadrian nach Britannien kommen und einen Wall bauen würde, stimmt’s?«
»Nicht ganz«, erwiderte Lepidina, »aber fast.«
»Ich habe noch nie von einer so … so … wie soll ich sagen? … spezi fischen Prophezeiung gehört. Du, Tullio?
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