Imperfect Match - Liebe ist eigenwillig
mich mit Ben allein außerordentlich wohl – vor allem, da wir unser Problem mit den peinlichen Gesprächspausen im Laufe des Abends wunderbar in den Griff bekommen hatten. Wie genau?
Da diese meist nur entstanden, wenn wir miteinander flirteten und uns dann dafür schämten, hatten wir einfach damit aufgehört. Mit dem ‚Sich-schämen‘, versteht sich. Ein kleiner Flirt zwischendurch hatte noch niemandem geschadet und – ich gab es nicht gern zu – es machte Spaß, weil Ben kein plumper ‚Flirter‘ war, sondern das meist ausgesprochen charmant und süß machte. Und ihm gelang damit etwas, was bisher kaum einem anderen Mann vor ihm gelungen war: Ich fühlte mich tatsächlich wie eine Frau und hatte auf einmal auch das Gefühl einen gewissen Sexappeal zu besitzen. Ich. Emma Spencer.
Wie sollte ich den Kerl da nicht mögen, nicht seine Gegenwart und die interessanten Gespräche, die wir während unseres Heimwegs führten, genießen? Und warum sollte ich etwas dagegen haben, dass wir einen längeren Weg nach Hause nahmen, um uns die schönen Häuser in den abgelegeneren Straßen von Hampstead anzusehen?
„Wäre aber schon interessant, wenn es uns gleich mehrfach in anderen Parallelwelten geben würde“, überlegte Ben, als wir nun doch endlich in die Straße einbogen, in der Colin und ich wohnten. Wir waren von irgendeiner Science-Fiction-Geschichte auf die verschiedenen Theorien zu Zeitreisen und Paralleluniversen gekommen und hatten uns die abenteuerlichsten Dinge dazu ausgedacht.
„Ich könnte mir selbst in den verschiedensten Versionen begegnen“, dachte ich laut nach.
„Und dein jetziges Leben mit einem anderen ‚du‘ heimlich tauschen.“
„Laut Dean Koontz ist es nicht möglich, sich selber zu begegnen.“ Allerdings hatte es sich da auch um Zeitreisen gehandelt und ich hatte die Theorien etwa zehnmal lesen müssen, um sie überhaupt zu verstehen und dann bei jeder Science Fiction Diskussion anzubringen. Gerne hätte ich mein Wissen geteilt, doch leider hatte ich das betreffende Buch vor etwa fünf Jahren gelesen und die Theorien größtenteils vergessen.
„Vielleicht wären wir in den Parallelwelten ja auch jemand anderes“, schlug Ben vor. „Dann wär es schon möglich.“
„Ja, ich könnte zum Beispiel Colin sein und er ich“, entwischte es mir, bevor ich mein Gehirn eingeschaltet hatte. Jetzt nur nicht rot werden und anfangen zu stammeln!
„Also… ähm… man könnt ja dann buchstäblich jeder sein, oder?“ Ich kicherte albern und meine Wangen wurden verdammt heiß.
Doch Ben schien das nicht aufzufallen. „Klar!“ stimmte er mir begeistert zu. „Ich könnt auch die Queen sein.“ Er setzte einen überheblichen Gesichtsausdruck auf, hob die Hand und winkte in dieser Minimalbewegung, die meist nur Menschen aus dem Königshaus in dieser Perfektion beherrschten.
Ich lachte und machte innerlich drei Kreuze. Sich wohl mit jemandem zu fühlen, hieß nicht gleich, alle Hemmungen zu verlieren und ihm seine schlimmsten Geheimnisse anzuvertrauen. Immerhin war Ben Annas Bruder und hätte bestimmt kein Verständnis dafür, dass ich seine geliebte Schwester so an der Nase herumgeführt hatte.
„Das Universum könnte aber ohnehin nur aus einem selbst bestehen“, warf Ben jetzt ein und kratzte sich mit einem übertrieben grüblerischen Gesichtsausdruck an der Schläfe. Ich runzelte die Stirn. Dann fiel der Groschen und ich erinnerte mich an die Das-Universum-ist-ein-Ei-Theorie, die ich, verpackt in einer kleinen Geschichte, im Internet gelesen hatte. In dieser kleinen Anekdote wurde die These aufgestellt, dass jedes einzelne lebende Individuum eine Gottheit ist, die noch in ihrem Ei-Stadium steckt, und dass das Universum, in dem diese lebt, eigens für sie gebildet wurde, um zu lernen und sich weit genug zu entwickeln, um als wahrhaftige Gottheit geboren zu werden. Da alles nur im Geiste dieses Individuums stattfindet, ist jeder Mensch und jedes Tier, dasselbe ‚Ich‘, das sich in der Interaktion mit sich selbst weiterentwickelt – was für mich stets eine recht ungewöhnliche Interpretation der Theorie ‚jeder ist sich selbst der nächste‘ war. Anna und ich hatten diese Idee nächtelang durchdiskutiert und entweder mit einem verdrehten Gehirn oder in einem Lachkrampf geendet.
„Stimmt ja“, erwiderte ich begeistert und nickte übereifrig. „Ich bin also du, Colin, Anna und die Kellnerin aus dem Pub vorhin.“ Ich verzog das Gesicht. „Oh mein Gott, das bedeutet, dass ich
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