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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Kracht
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über einer Woche und warte auf Engelhardts Rückkehr aus Australien. Ja, Makeli, Junge, rief er nun und rüttelte ihn an beiden Schultern, warum sage er das nicht gleich. Besuch! Was für eine Nachricht!
    Engelhardt ließ den selig lächelnden Makeli stehen, sauste die Straße hinunter, stob durch die Pfützen, schlug einen Haken um einen lebhaft orangerot blühenden Birkenfeigenbaum, übersprang hopsend die einzelnen Treppen der Hotelveranda und kam heftig atmend vor einem sommersprossigen jungen Mann zu stehen, der seinerseits vom Bastsofa aufsprang, die blonde Tolle hinters Ohr klemmte, die feuchten Hände an der Hose abwischte und sich mit einem schiefen Grinsen als Heinrich Aueckens vorstellte, Vegetarier, aus Helgoland. Und daß es ihm eine kolossale, wirklich kolossale Ehre sei, endlich dem genialen Verfasser des Buches Eine sorgenfreie Zukunft sozusagen Aug in Aug gegenüberzustehen. Er habe gespart, die Reise aus eigener Tasche bezahlt und sei einfach hergekommen, freilich ohne sich brieflich anzumelden, er bitte um Verzeihung, aber er habe erst einmal in seinem Leben überhaupt Helgoland verlassen, um eine Zeit in Hamburg zu studieren, nun sei er also jedenfalls hier und freue sich ungemein, er wolle dem Sonnenorden beitreten, falls dies denn ohne weiteres möglich sei. Der rotblonde Aueckens sprach ohne Punkt und Komma, und Engelhardt spürte ob des so lange ersehnten Besuches in seiner Seele eine unermeßliche Genugtuung aufsteigen, wie die erquicklich sprudelnden Blasen eines mineralischen Wassers.
    Rückblickend läßt sich sagen, daß der überaus positive erste Eindruck, den Engelhardt von seinem Besucher gewonnen hatte, stark vom Gefühl seiner, Engelhardts, Einsamkeit koloriert wurde und daß er, gewiß auch durch die kürzlich erfahrene, schroffe Ablehnung seines Ideengebäudes durch den Yankee Halsey dorthingehend beeinflußt war, daß er seine bereits in der Kindheit sorgsam aufgebauten mißtrauischen Schutzmauern den Menschen gegenüber nun vis-á-vis Aueckens augenblicklich abgetragen hatte. Dieser Aueckens sollte sich nämlich bald schon als erstklassiger Mistkerl herausstellen, weswegen er auch schon wenige Wochen später nicht mehr unter uns war, sondern pushing up the daisies, wie der Angelsachse sagt.
    Wie habe Aueckens denn eigentlich von der Existenz Kabakons erfahren, wollte unser Freund wissen. Nun, durch eine Schrift des Nudisten Richard Unge-witter, die er auf Helgoland bezog. In jenem Traktat sei sein Experiment in den Südseekolonien als Versuch angepriesen worden, die geistige Enge der Heimat durchbrechen zu wollen und einen mutigen (wenn auch letztlich utopischen) Neuanfang zu beginnen, unter Palmen, fernab der siechen Maschinerie einer sich immer schneller beschleunigenden, sinnentleerten Gesellschaft.
    Engelhardt, der sich soviel Wohlwollen von Seiten Ungewitters gar nicht erwartet hatte (beide hatten, einer heftigen, rückblickend wohl auf einem Mißverständnis beruhenden Meinungsverschiedenheit zufolge, den brieflichen Kontakt zueinander abgebrochen), bat seinen Besucher, doch flugs sein Gepäck aus dem Hotelzimmer bringen zu lassen, man werde gemeinsam nach Kabakon hinüberfahren, er sei sozusagen das erste Mitglied des Sonnenordens, ja, ja, gewiß, Engelhardt ernenne ihn sofort und ohne Umschweife zum ordentlichen Genossen, man werde dann eine Hütte für ihn bauen und es generell ganz prächtig zusammen haben. Ach, es gäbe sonst gar keine anderen Mitglieder, wollte Aueckens wissen, worauf unser Held mit einem Lächeln verkündete: noch nicht! Man müsse sich gedulden, der Gedanke, sich nackt und frei nur von Kokosnüssen zu ernähren, sei, obgleich zwingend, eine Idee, die erst sacken müßte in der zivilisierten Welt. Er zahlte die Aueckenssche Hotelrechnung per Unterschrift, bugsierte den jungen Helgoländer zum Anlegekai hinab, und gemeinsam bestiegen sie das Segelkanu, das von Makelis sicherer junger Hand hinüber zum Eiland gesteuert wurde.
    Bereits anderntags stand die Palmwedelhütte des Neuankömmlings. Und es tat so gut, sich unterhalten zu können, auf deutsch, über Belange, die Deutsches betrafen. Engelhardt hatte sich beileibe nicht einsam gefühlt, aber das Bewußtsein, er könne seine Gedanken nun mit jemandem teilen, der über einen ähnlichen Horizont verfügte, versetzte ihn in eine selten gekannte Hochstimmung. Aueckens hatte Thoreau gelesen! Man saß zusammen am Strand, sprach über die politische und ethische Widersinnigkeit der Deutschen Regierung,

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