Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
nicht untätig. Auch Crassus war unterwegs, machte Versprechungen für lukrative Posten und versuchte Anhänger zu gewinnen. Für den Liebhaber des politischen Geschäfts war es faszinierend, das Kopf-an Kopf-Rennen der Dauerrivalen Crassus und Pompeius zu beobachten. Beide hatten zwei Volkstribunen auf ihrer Seite, die jeweils mit ihrer Stimme das Gesetz zu Fall bringen konnten und die jeweils über eine Reihe geheimer Parteigänger im Senat verfügten. Crassus hatte gegenüber Pompeius den Vorteil, dass ihn die meisten Aristokraten unterstützten, weil sie Pompeius mehr fürchteten als jeden anderen in der Republik; Pompeius ' Vorteil gegenüber Crassus war seine Popularität beim Mann auf der Straße. »Die beiden sind wie zwei Skorpione, die sich gegenseitig belauern«, sagte Cicero eines Morgens, als er sich auf dem Stuhl vor seinem Schreibpult zurücklehnte, nachdem er mir eine Botschaft an Pompeius diktiert hatte. »Keiner kann den anderen ganz ausschalten, und doch kann jeder den anderen töten.«
    »Wie soll dann einer von beiden gewinnen?«
    Er schaute mich an, schoss dann so plötzlich mit dem Oberkörper nach vorn und schlug mit der flachen Hand auf die Pultplatte, dass ich vor Schreck zusammenzuckte. »Nur durch einen Überraschungsangriff.«
    Ab jenem Morgen blieben noch vier Tage, bis das Volk über die lex Gabinia abstimmte. Und bisher war Cicero nichts eingefallen, wie er Crassus ' Veto umgehen könnte. Er war müde und mutlos und sinnierte wieder einmal darüber nach, ob wir uns nicht nach Athen zurückziehen und Philosophie studieren sollten. Der Tag verging, ebenso der nächste und übernächste, und noch immer war keine Lösung aufgetaucht. Am letzten Tag vor der Abstimmung stand ich wie üblich bei Morgengrauen auf und ließ Ciceros Klienten ein. Da allgemein bekannt war, wie nahe er Pompeius stand, hatte sich die Zahl der Besucher im Gegensatz zu früher verdoppelt. Sehr zu Terentias Ärger wimmelte es im Haus jetzt den ganzen Tag über von Bittstellern und Sympathisanten. Darunter waren durchaus bekannte Männer, wie zum Beispiel an jenem Morgen Antonius Hybrida. Er war der zweite Sohn des großen Redners und Konsuls Marcus Antonius Orator und hatte gerade eine Amtszeit als Volkstribun hinter sich: Er war ein Schwachkopf und Säufer, musste aber als Erster vorgelassen werden. Der Himmel war grau, und es regnete, sodass die Besucher den moderigen Geruch von klammen, muffigen Kleidern und feuchtem Haar mit ins Haus geschleppt hatten. Der schwarz-weiße Mosaikboden war dreckverschmiert, und ich überlegte gerade, ob ich einen der Haussklaven zum Aufwischen rufen sollte, als die Tür noch einmal aufging und Marcus Licinius Crassus höchstpersönlich vor mir stand. Ich war so verblüfft, dass mich sein Anblick nicht im Geringsten beunruhigte und ich ihn so selbstverständlich begrüßte wie jeden x-beliebigen Klienten, der wegen eines Empfehlungsschreibens vorsprach.
    »Einen wunderschönen guten Morgen, Tiro«, sagte er. Er erinnerte sich an meinen Namen, obwohl er mich nur einmal gesehen hatte, was mir jetzt doch gehörige Angst einjagte. »Wäre es möglich, dass ich kurz mit deinem Herrn spreche?« Crassus war in Begleitung des Senators Quintus Arrius, der ihm wie ein Schatten überallhin folgte und dessen lachhaft blasierte Ausdrucksweise vom grausamsten aller Dichter, Catull, aufs Unvergesslichste parodiert werden sollte - Arrius fügte jedem Vokal am Wortanfang eine Aspirata hinzu, seinen eigenen Namen sprach er »Harrius« aus. Ich lief ins Arbeitszimmer, wo Cicero gerade seine beiden Schreiber auf die übliche Weise auf Trab hielt: Während er dem einen, Sositheus, einen Brief diktierte, zeichnete er gleichzeitig dem anderen, Laurea, Schriftstücke so schnell ab, wie der sie ihm vorlegen konnte.
    »Ihr erratet nie, wer da ist!«, rief ich aufgeregt.
    »Crassus«, sagte er, ohne auch nur den Kopf zu heben.
    Ich war schlagartig ernüchtert. »Ihr seid nicht überrascht?«
    »Nein«, sagte Cicero und unterzeichnete den nächsten Brief. »Er wird uns gleich ein großmütiges Angebot unterbreiten, das natürlich ganz und gar nicht großmütig ist, sondern nur dem Zweck dient, ihn in dem Augenblick in besserem Licht dastehen zu lassen, wenn bekannt wird, dass wir abgelehnt haben. Er hat allen Grund, Entgegenkommen zu zeigen, wir haben keinen einzigen. Egal, führ ihn am besten gleich rein, sonst besticht er mir noch alle meinen Klienten aus dem Haus. Und bleib dann im Zimmer und mach dir

Weitere Kostenlose Bücher