Imperium
den kleinen Quintus mit geweihtem Wasser gesegnet und Cicero den Säugling auf den Arm genommen hatte, wurde mir erst richtig bewusst, wie gern er selbst einen Sohn gehabt hätte. Ein Großteil seiner wie auch jedes anderen Mannes Motivation, das Konsulat anzustreben, hat sicher darin gelegen, dass dadurch sein Sohn, sein Enkel und alle weiteren Nachkommen bis in alle Ewigkeit das ius imaginum besaßen und nach seinem Tod sein Porträt im Atrium des Familiensitzes ausstellen konnten. Was hatte es für einen Sinn, ein ruhmreiches Geschlecht zu begründen, wenn es wieder ausstarb, bevor es sich richtig entfalten konnte? Ich warf einen kurzen Blick hinüber zu Terentia, und mir fiel auf, dass sie sehr genau beobachtete, wie Cicero mit dem Rücken seines kleinen Fingers die Wange des Säuglings streichelte. Da wusste ich, dass ihr genau die gleichen Gedanken durch den Kopf gingen.
Die Geburt eines Kindes führt oft zu einer gründlichen Neubewertung der Zukunft, und ich bin sicher, dass Cicero deshalb schon kurz nach der Geburt seines Neffen die Verlobung Tullias zu betreiben begann. Sie war jetzt zehn Jahre alt und nach wie vor sein ganzer Augenstern. Trotz aller Beanspruchung durch seine Arbeit als Anwalt und Politiker verging kaum ein Tag, an dem er sich nicht zumindest kurz freimachte, um ihr vorzulesen oder mit ihr irgendein Spiel zu spielen. Mit der für ihn typischen Mischung aus Zartgefühl und Gerissenheit besprach er seinen Plan zuerst mit ihr selbst und nicht mit Terentia. »Ich möchte dich was fragen, Tulla«, sagte er eines Morgens, als wir drei allein in seinem Arbeitszimmer waren. »Möchtest du eigentlich mal heiraten?« Als sie antwortete, dass sie sehr gern heiraten würde, fragte er, wen sie denn von allen Menschen auf der Welt am liebsten heiraten würde.
»Tiro!«, schrie sie und schlang mir die Arme um die Hüfte.
»Ich fürchte, Tiro hat gar keine Zeit für eine Frau, er muss mir doch dauernd helfen«, sagte er ernst. »Wen noch?«
Da sie nur über einen begrenzten Bekanntenkreis aus männlichen Erwachsenen verfügte, dauerte es nicht lange, und sie nannte Frugi, der seit der Verres-Geschichte so viel Zeit mit Cicero verbracht hatte, dass er fast schon zur Familie gehörte.
»Frugi!«, rief Cicero, als wäre ihm selbst der Gedanke noch nicht gekommen. »Eine wundervolle Idee! Und du bist dir ganz sicher, dass er der Richtige ist? Ehrlich? Also los, dann gehen wir gleich zur Mama und sagen es ihr.«
Und so fand sich Terentia auf ihrem ureigenen Terrain von ihrem eigenen Mann so kunstfertig ausgetrickst, als sei sie irgendein Aristokraten-Hohlkopf aus dem Senat. Nicht dass sie an Frugi etwas auszusetzen gehabt hätte, er war eine selbst nach ihren Maßstäben mehr als angemessene Partie - ein sanftmütiger und gewissenhafter junger Mann, einundzwanzig Jahre alt, aus äußerst vornehmer Familie. Aber sie war natürlich viel zu intelligent, um nicht zu erkennen, dass Cicero eben die zweitbeste Möglichkeit ergriff, wenn er schon keinen eigenen Sohn haben konnte - nämlich einen Ersatzmann auszubilden, dem er eine Karriere im öffentlichen Leben ebnen konnte. Diese Erkenntnis empfand sie zweifellos als Bedrohung, und Terentia war ein Mensch, der auf Bedrohungen immer sehr heftig reagierte. Die Verlobungszeremonie im November ging noch glatt über die Bühne: Unter den zustimmenden Blicken beider Familien und deren Haushaltsmitgliedern streifte der schüchterne Frugi seiner Verlobten, die er im Übrigen sehr mochte, den Ring über den Finger, und man legte fest, dass die Hochzeit in fünf Jahren stattfinden würde, wenn Tullia in die Pubertät käme. Aber noch am gleichen Abend lieferten sich Cicero und Terentia eines der heftigsten Wortgefechte ihrer Ehe. Es begann im Tablinum, und es fing so plötzlich an, dass ich mich nicht mehr rechtzeitig verdrücken konnte. Cicero hatte irgendeine harmlose Bemerkung darüber gemacht, wie herzlich die Frugis Tullia aufgenommen hätten, worauf die schon eine ganze Zeit lang bedrohlich schweigsame Terentia erwidert hatte, dass sie sich tatsächlich sehr gut benommen hätten - in Anbetracht der Umstände.
»In Anbetracht welcher Umstände?«, fragte Cicero verdrossen. Offensichtlich hatte er sich damit abgefunden, dass ein Streit mit Terentia so unausweichlich sei wie ein verdorbener Magen nach einer schlechten Auster und dass er die Angelegenheit am besten gleich heute Abend hinter sich brachte.
»In Anbetracht der Verbindungen, die sie hergestellt haben«,
Weitere Kostenlose Bücher