Imperium
Cicero hatte Crassus im Verdacht, Unruhestifter angeheuert zu haben, um die Wahlen zu sabotieren, konnte aber nichts beweisen. Was auch immer dahintersteckte, es dauerte jedenfalls bis September, bevor die acht gewählten Prätoren im Senat zusammenkamen, damit festgelegt werden konnte, wer im kommenden Jahr für welchen Gerichtshof den Vorsitz übernehmen würde. Die Entscheidung wurde wie üblich durch das Los getroffen.
Das begehrteste Amt war das des Stadtprätors, der in jenen Tagen die gesamte Gerichtsbarkeit unter sich hatte, hinter den beiden Konsuln der dritte Mann im Staat und außerdem für die Ausrichtung der Spiele des Apollo verantwortlich war. War das der Haupttreffer unter den zu verteilenden Posten, so war der Gerichtshof für Veruntreuungen der, den man unter allen Umständen vermeiden wollte: Er war geradezu niederschmetternd langweilig. »Natürlich wäre mir die Stadtprätur am liebsten«, vertraute mir Cicero auf dem Weg zum Senat an. »Ganz ehrlich, wenn ich bei ›Veruntreuungen‹ ein Jahr lang Akten wälzen muss, dann hänge ich mich auf. Mit allem anderen kann ich leben.« Er war aufgeräumter Stimmung an jenem Morgen. Die Wahlen waren endlich vorbei, und er hatte die meisten Stimmen bekommen. Pompeius hatte nicht nur Rom, sondern inzwischen auch Italien verlassen, sodass Cicero von keinem mächtigen Mann mehr überragt wurde. Er war dem Konsulat jetzt sehr nah - so nah, dass er es fast berühren konnte.
Wenn Ämterverlosungen anstanden, sich also die hohe Politik mit dem Glücksspiel verband, war der Senat immer bis auf den letzten Platz besetzt. Als wir eintrafen, befand sich die Mehrheit der Senatoren schon im Saal. Cicero wurde ein lautstarker Empfang bereitet: Seine alten Anhänger unter den pedarii bejubelten ihn, die Aristokraten wurden ausfallend. Crassus, der wie üblich mit ausgestreckten Beinen auf der Konsulnbank in der ersten Reihe saß, beobachtete seinen Einzug mit halb geschlossenen Augen - wie eine große Katze, die sich schlafend stellt, während ein kleiner Vogel vorbeitrippelt. Die Wahl war im Großen und Ganzen so ausgegangen, wie Cicero erwartet hatte. Wenn ich nun die Namen der gewählten Prätoren nenne, so glaube ich, dass man dadurch einen guten Eindruck bekommt, wie es zu jener Zeit um die Politik bestellt war.
Neben Cicero gab es nur noch zwei Männer mit unbestrittenen Fähigkeiten, die gelassen daraufwarteten, ihr Los zu ziehen. Der bei weitem fähigste war Aquilius Gallus, der schon ein angesehener Richter war und den so mancher für einen noch besseren Rechtsanwalt als Cicero hielt. Tatsächlich war er eine Art Vorbild für Cicero - brillant, bescheiden, gerecht, freundlich, ein Mann von exquisitem Geschmack, der in einer prächtigen Villa auf dem Viminal lebte. Cicero spielte mit dem Gedanken, den Älteren zu fragen, ob er mit ihm zusammen für das Konsulat kandidieren wolle. Gleich nach Gallus, zumindest was Würde und Gesetztheit anging, kam Sulpicius Galba, der aus einer distinguierten Aristokratenfamilie stammte und in dessen Atrium die Masken von so vielen Konsuln hingen, dass er sicher einer von Ciceros Rivalen um das Konsulat sein würde. Aber so rechtschaffen und fähig er war, so schroff und arrogant war er auch, was sich bei einem knappen Rennen als Nachteil erweisen würde. Meiner Meinung nach der Viertbeste war Quintus Cornificius, auch wenn Cicero gelegentlich über seine Albernheiten lauthals lachte. Er war ein religiöser Fundamentalist, der sich endlos darüber auslassen konnte, dass man unbedingt etwas gegen den Sittenverfall in Rom unternehmen müsse - der »Kandidat der Götter«, wie Cicero ihn nannte. Was die Eignung der anderen betrifft, fürchte ich, ging es nun steil bergab: Bemerkenswerterweise waren die vier anderen gewählten Prätoren allesamt Männer, die man schon einmal aus dem Senat ausgeschlossen hatte, entweder wegen finanzieller oder moralischer Defizite. Der älteste war Varinius Glaber, einer jener schlauen, verbitterten Männer, die glauben, ein erfolgreiches Leben vor sich zu haben, und dann fassungslos vor dessen Trümmern stehen. Vor sieben Jahren war er schon einmal Prätor gewesen und hatte vom Senat das Kommando über eine Armee bekommen, um den Aufstand des Spartacus niederzuschlagen. Seine schwachen Legionen waren jedoch von den aufständischen Sklaven wiederholt besiegt worden, worauf er sich gedemütigt aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte. Dann war da der von einem großen Wählerverein
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