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Imperium

Imperium

Titel: Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Tieres. Cicero ging sofort zur Tagesordnung über und rief den ersten Zeugen auf. Annius schilderte, wie er eines Morgens im Hafen von Syrakus gerade eine Ladung inspiziert habe, als ein Freund auf ihn zugelaufen sei und aufgeregt erzählt habe, dass sein in Ketten gelegter Geschäftspartner Herennius auf dem Forum um sein Leben bettele.
    »Was hast du daraufhin gemacht?«
    »Ich bin natürlich sofort zum Forum gelaufen.«
    »Und was hast du da gesehen?«
    »Da waren mindestens hundert Menschen, die haben alle gerufen, ›Herennius ist ein Bürger Roms, ohne fairen Prozess darf man keinen Römer hinrichten‹.«
    »Woher haben die Menschen gewusst, dass er Römer ist? Er war doch ein Bankier, der aus Spanien nach Sizilien gekommen war.«
    »Viele von uns haben ihn persönlich gekannt. Seine Geschäfte betrieb er zwar in Spanien, aber er war der Sohn einer römischen Familie aus Syrakus. Er ist da aufgewachsen.«
    »Und was hat Verres dazu gesagt?«
    »Er hat Befehl gegeben, Herennius auf der Stelle zu enthaupten.«
    Einige Zuschauer schrien entsetzt auf.
    »Wer hat die Hinrichtung durchgeführt?«
    »Sextius, der amtliche Scharfrichter.«
    »Und hat er seine Arbeit sauber erledigt?«
    »Ich fürchte nein.«
    »Was ein klarer Hinweis darauf ist«, sagte Cicero, während er sich zu den Geschworenen umdrehte, »dass er Verres und seiner Räuberbande nicht ausreichend bestochen hatte.«
    Fast während des gesamten Prozesses hatte Verres zusammengesunken auf seinem Stuhl gesessen. An diesem Morgen jedoch, aufgeputscht durch den Alkohol, sprang er auf und brüllte herum, dass er nie Bestechungsgelder angenommen habe. Hortensius musste ihn wieder auf den Stuhl ziehen. Cicero ignorierte den Zwischenfall völlig und fuhr in aller Ruhe mit der Befragung des Zeugen fort.
    »Das war doch eine ziemlich ungewöhnliche Situation, oder? Da verbürgen sich hundert Menschen dafür, dass der Mann römischer Bürger ist, und Verres hat nicht mal eine Stunde Zeit, um dessen Identität zu überprüfen. Wie erklärst du dir das?«
    »Das ist ganz leicht zu erklären, Senator. Herennius war Passagier auf einem Schiff aus Spanien, das Verres ' Handlanger mitsamt seiner Fracht beschlagnahmt hatten. Erst landete er mit allen anderen Männern, die an Bord waren, in den Steinbrüchen, und später wurde er aufs Forum geschafft, um öffentlich als Pirat hingerichtet zu werden. Was Verres nicht wusste, war, dass Herennius nicht aus Spanien stammte und dass ihn die Römer hier in Syrakus wiedererkennen würden. Als Verres seinen Fehler bemerkte, konnte er ihn aber nicht einfach freilassen, weil Herennius zu viel über die Geschichte wusste.«
    »Entschuldigung, ich verstehe nicht«, fragte Cicero und spielte den Unwissenden. »Warum sollte Verres einen unschuldigen Passagier auf einem Frachtschiff als Piraten hinrichten lassen?«
    »Weil er eine bestimmte Anzahl an öffentlichen Hinrichtungen brauchte.«
    »Warum das?«
    »Weil die echten Piraten ihn dafür bezahlt hatten, dass er sie laufen ließ.«
    Verres sprang wieder auf und brüllte: »Lüge, alles Lüge«. Diesmal ignorierte Cicero ihn nicht, sondern ging eine paar Schritte auf ihn zu. »Lüge? Alles Lüge? Warum verzeichnen dann deine eigenen Gefängnisunterlagen, dass Herennius auf freien Fuß gesetzt wurde? Und warum verzeichnen sie außerdem, dass der berüchtigte Piratenkapitän Heracleo hingerichtet wurde, obwohl kein Mensch auf der ganzen Insel Zeuge seiner Enthauptung war? Ich sage dir, warum: weil du, der Statthalter Roms, der Verantwortliche für die Sicherheit der Meere, die ganze Zeit Bestechungsgelder von eben diesen Piraten kassiert hast!«
    »Cicero, der große Anwalt, der Klügste unter der Sonne«, sagte Verres verbittert, wobei ihm die Worte wegen des Alkohols nur undeutlich über die Lippen kamen. »Der glaubt, dass er alles weiß! Dann erzähle ich euch mal was, das er nicht weiß. Heracleo steht unter meinem persönlichen Schutz, in meinem Haus hier in Rom, er kann euch selbst sagen, dass alles nur Lüge ist!«
    Es ist im Nachhinein faszinierend, darüber nachzudenken, wie töricht ein Mann sein muss, der so etwas ausplaudert. Die Fakten jedenfalls sind eindeutig, sie finden sich hier in meinen Unterlagen. Trotz des losbrechenden Höllenlärms im Gericht hörte ich Ciceros Stimme, der Glabrio aufforderte, seine Liktoren zu Verres ' Haus zu schicken und den berühmten Piraten »im Interesse der öffentlichen Sicherheit« sofort festnehmen zu lassen. Nachdem das in die Wege

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