Impfen Pro & Contra - Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung
schwarzen Beläge auf Gaumen und Mandeln. Von ihnen rührt auch die Krankheitsbezeichnung her: Das griechische Wort
diphthéra
bedeutet »Lederhaut«. Das Fieber steigt nicht sehr hoch an, aber der Patient macht einen schwerkranken Eindruck.
Die Rachenbeläge breiten sich unter Umständen in den Kehlkopf aus und verursachen den bedrohlichen Diphtherie-Krupp mit Heiserkeit, bellendem Husten und zunehmender Behinderung der Atmung. Der Diphtherie-Krupp wurde früher als »echter Krupp« bezeichnet. Der veraltete Ausdruck »Pseudokrupp« stand für die harmlosere Kehlkopfentzündung durch andere Erreger.
Diphtheriebakterien können sich auch auf verletzter Haut ansiedeln und die Wunddiphtherie mit lang anhaltenden Eiterungen hervorrufen.
Durch Eindringen der Diphtherietoxine in Nerven und Organe entwickeln sich unter Umständen lebensbedrohliche Komplikationen: Lähmungen von Gaumensegel oder Atemmuskulatur, Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen und Herzversagen.
Die Therapie besteht aus der sofortigen Verabreichung von Antibiotika und Antitoxin schon beim Verdacht einer Diphtherieerkrankung. Je nach Art und Umfang der Komplikationen sind auch intensivmedizinische Maßnahmen notwendig.
Wird bei einem Patienten Diphtherie diagnostiziert, so werden vom Gesundheitsamt seuchenhygienische Vorkehrungen getroffen: Isolierung des Kranken, Desinfektion im Haushalt des Erkrankten sowie Impfung, prophylaktische Antibiotikagabe, Überwachung und Quarantäne aller engen Kontaktpersonen.
Die Sterblichkeit der Diphtherie liegt selbst bei optimaler medizinischer Versorgung zwischen 5 und 10 Prozent, bei Säuglingen und alten Menschen auch darüber. Ohne ärztliche Behandlung sterben mehr als 25 Prozent der Erkrankten.
Vor Einführung der Impfung war die Diphtherie vornehmlich eine Kinderkrankheit, die viele Opfer forderte. Die Überlebenden hatten bis zur Pubertät eine stabile Immunität, die immer wieder aufgefrischt wurde durch den häufigen Kontakt mit den Erregern. Eine ähnliche Situation haben wir noch heute in manchen Entwicklungsländern.
Bis zur Einführung der Diphtherieimpfung in den dreißiger Jahren war in den westlichen Ländern die Sterblichkeit bei Diphtherie bereits um über 50 Prozent zurückgegangen – bedingt durch bessere medizinische Versorgung, seuchenhygienische Maßnahmen und die Steigerung des Lebensstandards (Mortimer 1978). Dennoch gehörte die Krankheit bis in die Nachkriegszeit zu den drei häufigsten Todesursachen im Kindesalter. Die Erkrankungszahlen schwankten zwischen 40000 im Jahre 1925 und 200000 im Jahre 1941 (Sitzmann 1998). Besonders viele Diphtheriefälle gab es während und nach den beiden Weltkriegen.
Erst in den sechziger Jahren begann die Diphtherie selten zu werden. Erkrankungsfälle in der westlichen Welt betreffen heute fast ausschließlich soziale Randgruppen wie Drogenabhängige, Obdachlose, Alkoholabhängige oder Gefängnisinsassen. Gelegentlich wird auch eine Diphtherie von einer Reise in ein Entwicklungsland mitgebracht.
Die Diphtherieepidemie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion – Anfang der neunziger Jahre wurden dort über 50000 Erkrankungen und 5000 Todesfälle registriert – ist zwar abgeklungen, dennoch gibt es in diesen Ländern noch mehrere hundert Fälle pro Jahr, vor allem in Lettland, der Ukraine und Russland.
In der EU werden mit abnehmender Tendenz weniger als 100 Diphtheriefälle pro Jahr gemeldet. In den fünf Jahren von 2006 bis 2010 gab es insgesamt 43 Todesfälle, davon 31 in Lettland. Alle Betroffenen waren völlig ungeimpft (
EB
2011).
Aus Mitteleuropa ist die Diphtherie praktisch verschwunden. In Deutschland gab es 1997 den letzten Todesfall. Von 2001 bis 2011 wurden 21 Erkrankungen registriert, ausnahmslos bei Erwachsenen ( RKI 2012). In Österreich und der Schweiz wurde in den letzten Jahren keine Diphtherie gemeldet.
In Ländern mit niedrigem Lebensstandard und schlechter medizinischer Versorgung ist die Diphtherie noch ein häufiges Krankheitsbild. Mit Diphtheriekontakt zu rechnen ist vor allem im süd- und südostasiatischen Raum (Indien, Nepal, Bangladesch, Pakistan, Thailand, Indonesien, Philippinen), im Iran, in vielen afrikanischen Ländern sowie in Brasilien und Haiti. Indien liegt mit über 6000 Fällen pro Jahr mit Abstand in Führung.
Die Diphtherieimpfung und ihre Wirksamkeit
Seit 1936 sind bei uns Diphtherieimpfstoffe zugelassen. Sie enthalten wie die Tetanusimpfstoffe ein Toxoid – den mit Formaldehyd »entgifteten«
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