Implantiert
zu entkommen – worin auch immer diese Hölle bestehen mochte. Wenn er sie freiließ, konnte er das Raubtier erschießen, und danach konnte Mookie die Herde wieder zusammentreiben.
Sven stellte die Schrotflinte neben das Tor und legte beide Hände auf das kalte, rot bemalte Holz. Noch immer prallten die Kühe von innen dagegen, wodurch die kleinen Räder, die oben am Tor auf einer Führungsschiene liefen, immer wieder für einen kurzen Augenblick blockierten. Er lehnte sich weit zurück, grub die Stiefelabsätze in den Boden und zerrte das Tor mit ruckartigen Bewegungen weiter auf. Jeder donnernde Aufprall einer Kuh ließ das trockene Holz heftig vibrieren. Die erste Kuh schob ihren blutigen Kopf durch das Tor. Hautfetzen hingen von ihrer Schnauze herab. Doch gleich darauf verkeilten sich ihre Flanken in der schmalen Öffnung. Sie drückte den unteren Teil des Tores nach außen, so dass sich die kleinen Räder auf der oberen Führungsschiene verkanteten. Sven zog mit aller Kraft, doch das Tor bewegte sich nicht mehr. Die Kühe brüllten in ungezügelter Panik.
Ein weiterer Kuhkopf erschien über dem ersten. Das zweite Tier drängte nach vorn, versuchte, über die erste Kuh zu klettern und sich durch die schmale Öffnung zu schieben. Die scharfen Kanten ihrer Hufe krachten auf den Kopf darunter. Verzweifelt zog Sven mit seinem ganzen Gewicht, doch das Tor bewegte sich immer noch nicht.
BAMM-BAMM, BAMM.
Das splitternde Holz klang wie ein Gewehrschuss. Sven
sah nach oben. Das linke Rad war fast aus dem Tor gerissen worden.
BAMM-BAMM, BAMM.
Alle drei Räder schossen aus ihrer Verankerung und wirbelten wie Schrapnelle durch den Schnee. Das Tor – drei Meter hoch, zwei Meter vierzig breit und siebeneinhalb Zentimeter dick – krachte herab wie eine Zugbrücke.
Fast hätte Sven noch ausweichen können.
Das dicke Holz wirbelte eine gewaltige Wolke Schnee auf, als es zu Boden fiel und seinen linken Fuß direkt über dem Knöchel traf. Schien- und Wadenbein knackten wie frische Karotten.
Mit weit aufgerissenen weißen Augen und schaumbedeckten Schnauzen stürmten die Kühe ins Freie, ein einziger mächtiger Orgasmus des Schreckens. Jeder donnernde Hufschlag drückte das Tor gegen Svens gebrochenes Bein und nagelte es auf dem Boden fest, so dass er den Fuß nicht mehr frei bekam. Seine Schmerzensschreie mischten sich mit denen der ausbrechenden Herde.
Einige Kühe stolperten und stürzten, doch die Tiere hinter ihnen drängten immer weiter. Einige wichen den Gestürzten aus, andere traten über sie hinweg. Sie breiteten sich aus wie ein schwarzes, weißes und rotes Gas, stoben in alle Richtungen von der Scheune weg und rannten hinaus auf das schneebedeckte Feld und in den anschwellenden Sturm.
Sven lag mit zusammengekniffenen Augen im Schnee. Er bleckte die Zähne und hatte den Mund zu einem stummen Schrei der Qual weit aufgerissen. Er versuchte, seinen Fuß herauszuziehen, doch selbst bei der kleinsten Bewegung war es, als ziehe man ihm ein Stück Stacheldraht durchs Fleisch. Schwarze Flecken wirbelten vor seinen Augen. Nicht alle verschwanden, als er den Kopf schüttelte. Blut quoll aus seinem
Stiefel und verwandelte immer mehr Schnee unter seinem Bein in roten Matsch.
Egal wie groß der Schmerz auch war – Sven musste sich befreien, selbst wenn er sich das eigene Bein dabei abreißen müsste. Denn das Ding, das die Kühe abgeschlachtet hatte, war immer noch in der Scheune. Er kämpfte sich durch den Schmerz, setzte sich auf und schob die Finger unter das Tor. Er musste es nur ein klein wenig anheben …
Er spannte seine alten, aber durchtrainierten Muskeln an und bemühte sich verzweifelt, das zweihundertsiebzig Pfund schwere Tor anzuheben. Das Holz löste sich einen Zentimeter vom Boden, genug, damit Sven seine Bemühungen verdoppelte. Es hob sich noch einen Zentimeter, doch dann krachte es wieder runter, als folge es Gottes höchst eigenem Entschluss.
Sven riss den Kopf unwillkürlich zurück und schrie auf. Tränen strömten über sein Gesicht, gefroren rasch und hinterließen funkelnde Rinnsale auf seinen Wangen. Er sah hoch.
Eine Kuh stand auf dem Tor.
Sie blökte nicht, und sie war nicht in Panik. Sie war einfach nur ein paar Schritte weit auf das umgestürzte Tor getreten und dann stehen geblieben. Sven erkannte den weißen Kopf mit dem schwarzen Augenfleck. Molly McButter.
»Verdammt nochmal, beweg dich! Beweg dich, du blöde Kuh!«
Sie tat es nicht. Mookie schoss heran und schnappte nach ihren
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