Implantiert

Frau der Wissenschaft. Ich glaube das nicht.«
    »Glauben Sie’s«, sagte Jian heiser krächzend. »Sie hat den ausgelagerten Sicherungsspeicher und alle Daten vernichtet.«
    Claus erbleichte. Seine Brust hob und senkte sich panisch. Es entging Colding nicht, dass Claus sich weitaus besorgter über sein Projekt zeigte als über die Leiche auf dem Boden.
    »Die Daten? Sie hat unsere Daten vernichtet? Wie konnten Sie nur so etwas zulassen?«
    Jian hob den Petabyte-Speicher hoch. Sie sah gleichzeitig verängstigt, verletzt und traurig aus, doch Colding hätte sehr viel darauf gewettet, dass sie zumindest teilweise und wenn auch mit einem schlechten Gewissen die Panik genoss, in die sie Rhumkorrf gerade versetzt hatte.
    »Ich habe alles«, sagte Jian. »Und wir haben es geschafft. Wahrscheinliche Lebensfähigkeit bei fünfundneunzig Prozent. «
    Colding spürte, wie die Aufregung sich breitmachte, wie sich zu dem Tumult in seinem Kopf und seiner Seele ein weiteres Gefühl gesellte. Hatten sie es endlich geschafft?
    »Fünfundneunzig …«, sagte Rhumkorrf. Nicht länger spiegelten sich Verwirrung und Wut in seiner Miene, sondern Schock und Erregung. »Das ist fantastisch!«
    »Was für eine Mannschaft«, sagte Magnus. »Ende gut, alles gut, nicht wahr? Solange wir nur die kostbaren Daten besitzen, ist alles in Ordnung, habe ich den Eindruck.«
    Rhumkorrf wollte gerade zustimmen, als ihm klarwurde, dass Magnus’ Worte voller Hohn waren. Rhumkorrf starrte auf den Boden.
    Magnus drehte sich zu Colding um und fixierte ihn. »Wo ist Hoel?«

    »Im Bioinformatik-Labor. Alles unter Kontrolle.«
    »Wenn Sie meinen toten Freund und einen Schaden von mehreren Millionen Dollar unter Kontrolle nennen, Bubbah, dann benutzen wir beide verschiedene Wörterbücher.« Magnus liebte es, Amerikaner Bubbah zu nennen, besonders Colding. Er hielt das entweder für einen großen Witz oder eine große Beleidigung.
    »Ich hab’s doch gleich gesagt, oder?«, meldete sich Andy zu Wort. »Es sieht aus wie das Werk einer Kommandoeinheit. Aber nein, schuld daran ist nur eine alte Nymphomanin. Bin ich froh, dass Colding für alles die Verantwortung trägt.«
    »Andy, halt die Klappe«, sagte Magnus. »Wir sind ein wenig in Eile. Wir sollten alle an Bord gehen und von hier verschwinden.«
    Alle zogen die Köpfe ein, bedeckten ihre Augen und machten einen halben Schritt nach hinten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, als eine weitere heftige Windbö sie traf. Alle außer Magnus. Er stand regungslos da wie ein Stein und starrte Colding an. Colding starrte zurück. Scheinbar ungerührt hatte er sein bestes Pokerface aufgesetzt, doch er hatte den Verdacht, dass Magnus einfach mitten hindurchsah.
    »Es wird Zeit aufzubrechen«, sagte Magnus. »Doktor Rhumkorrf, haben Sie entkernte Eizellen für die gesamte Ersatzherde?«
    »Natürlich. Wir haben sie im Hauptlabor eingelagert.«
    »Holen Sie sie«, befahl Magnus. »Im Flugzeug befindet sich die gleiche Ausrüstung, mit der Sie vorher gearbeitet haben, einschließlich der Gottesmaschine. Sie brauchen nicht zu warten, bis wir landen. Sie können den Immunreaktionstest schon während des Fluges machen.«
    Jian reichte Colding den Petabyte-Speicher. »Ich werde die
Eizellen holen«, sagte sie. Sie hob einen Arm, um ihre Augen vor dem Wind zu schützen und rannte zur vorderen Luftschleuse.
    Wieder sah Magnus auf die mit einer Plane bedeckte Leiche Brady Giovannis. Schließlich hob er den Blick und nickte, als akzeptiere er die Situation. »Colding, schaff alle ins Flugzeug. Wir müssen los. Ich bleibe und organisiere einen Sanitätshubschrauber für Doktor Hoel.«
    Andy machte einen Schritt nach vorn. »Willst du mich verarschen, Mags?« Die Scheinwerfer der C-5 schufen seltsame Schatten unter Andys Augen, unter seiner Nase und unter seinem Kinn. Er wirkte fast dämonisch. »Mann, diese Schlampe hat Brady umgebracht. Und als ich versucht habe, mich um die Sache zu kümmern, hat Colding seine Waffe gegen mich erhoben und mir meine Waffe abgenommen. Scheiße, er hat meine Waffe immer noch, klar? Du willst mir doch nicht sagen, dass du ihm auch weiterhin die Verantwortung überlässt, er hat keine Ahnung – «
    Magnus’ linke Hand schoss nach vorn, umklammerte Andys Hals und unterbrach die Litanei des kleineren Mannes. Der Griff war so kontrolliert, dass er fast sanft aussah – gerade hatte Andy noch gesprochen, und schon einen Augenblick später begann er zu würgen. Überrascht traten seine Augen