Implantiert

Clayton.
    »Auf der Michigan-Seite natürlich. Ich bin ein Troll.«
    Auf Claytons Gesicht machte sich ein aufrichtiges freundliches Lächeln breit. Plötzlich sah er wie ein vollkommen anderer Mensch aus.
    Sprachlos sah Colding zu, wie Clayton seine schwielige Hand ausstreckte. Sara schüttelte sie und stellte sich den fünf Bewohnern von Black Manitou vor. Coldings Auftreten war bestenfalls verkrampft gewesen, doch bei Sara hatte
man den Eindruck, als träfen sich alte Freunde wieder. Ihr natürlicher Charme sorgte dafür, dass sich alle um sie herum entspannten.
    Sara sah den Teller in Coldings Händen. Sie hob die Folie an und zog lässig einen Brownie darunter hervor. »Oh, die sehen aber köstlich aus. Wer hat die denn gemacht?«
    »Ich!«, sagte Stephanie. »Sie können jederzeit vorbeischauen und einen Kaffee mit uns trinken. Ich habe diese Brownies gemacht. Ich mag sie am liebsten, denn das ist ein altes Familienrezept.«
    Die Erklärung der Frau ließ Colding an ein überglückliches Maschinengewehr denken, das eine Salve von Wörtern abfeuert.
    Sara biss in den Brownie, kaute und lachte schließlich. »Wir müssen verwandt sein. Es schmeckt genau wie mein Familienrezept.«
    »Okay«, sagte Colding. »Schluss jetzt mit den Brownies. Captain Purinam, wenn Sie sich bitte um Ihre Aufgaben kümmern würden, ich möchte mich mit Clayton unterhalten.«
    »Jetzt nicht«, erwiderte Clayton. »Habe ich Ihnen denn nicht gesagt, dass ich jede Menge scheiß Arbeiten zu erledigen habe?«
    Colding hatte während der letzten Stunden viel zu viel durchgemacht, als dass er sich so etwas bieten lassen würde. Er spürte, wie er wütend wurde, und wollte gerade etwas sagen, doch Gary kam ihm zuvor.
    »Dad, hör zu«, sagte er. »Du musst mich doch sowieso zurück zum Boot bringen. Mister Colding kann mitfahren, damit er ein Gefühl für die Insel bekommt. Nicht mehr als fünfzehn Minuten hin und zurück. Er ist von Genada, Dad. Du weißt doch – das sind die Leute, die dich bezahlen.«

    Clayton sah einen Augenblick beiseite. Er schien verärgert über die Logik seines Sohnes. »Ja, gut«, sagte er. »Ich nehme Sie mit, aber nur, wenn Sara auch kommt.«
    »Ich bin dabei«, antwortete Sara, bevor Colding auch nur ein Wort erwidern konnte. Offensichtlich hatte er so wenig geschlafen, dass seine Reaktionszeit nachließ – alle waren sie schneller als er.
    »Captain Purinam«, sagte Colding. »Haben Sie nicht irgendwelche Arbeiten zu erledigen?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Nein. Meine Jungs kümmern sich um alles. Fahren wir los!«
    Clayton hob die Hand und nahm sich einen Brownie von Coldings Teller. Er biss hinein, und ein paar Krümel fielen ihm aus dem Mund und blieben in seinen Bartstoppeln hängen. »Schmeckt gut, Stephanie.«
    Stephanie strahlte. »Danke!«
    »Kannst du mit James hierbleiben und den Leuten das Landhaus zeigen?«
    »Klar«, sagte Stephanie. »Liebend gerne. Wir können zu Fuß zurückgehen. Es ist noch nicht wirklich kalt hier draußen, und es macht uns überhaupt nichts aus, oder, James?«
    James machte sich nicht die Mühe, irgendetwas darauf zu antworten, denn Clayton ging bereits davon. Der alte Mann stieg in den Hummer und knallte die Tür hinter sich zu.
    Colding wandte sich an Gary. »Ist Ihr Vater immer so?«
    Gary schenkte ihm ein entspanntes Lächeln. Colding konnte den Geruch noch immer nicht einordnen.
    »Unglücklicherweise ja«, sagte Gary. »Aber machen Sie sich keine Sorgen deswegen, Mann. Sie werden nie wieder jemanden finden, der so hart arbeitet wie er. Und wenn Sie etwas haben, das erledigt werden muss, dann wird das auch erledigt. Okay?« Sein letztes, fragendes Wort war wie eine
Unterschrift auf einem Vertrag – ein Vertrag, den Colding schlicht akzeptieren musste, denn so lagen die Dinge nun einmal. Offensichtlich wollte Gary nicht, dass sein Vater irgendwelche Schwierigkeiten bekam.
    »Okay«, sagte Colding. »Im Zweifel für den Angeklagten.«
    Gary lächelte wieder und nickte langsam, doch nicht nur mit seinem Kopf, sondern ebenso mit seinen Schultern. »In Ordnung, Mann. Und weil Sie das so cool aufgenommen haben, dürfen Sie auf den Beifahrersitz.«
    »Wie freundlich von Ihnen«, sagte Colding und erkannte im gleichen Augenblick, dass Gary Interesse an Sara hatte. Gary drehte sich um und stieg hinten in den Humvee.
    Colding starrte Sara an. »Du kommst nur mit, um mich zu ärgern.«
    »Genau«, sagte Sara. »Aber mach dir keine Sorgen. Das ist noch längst nicht