Implantiert
Länge, und plötzlich erschien ein goldfarbenes Bild.
Sie starrte auf den Monitor.
Tim trat aus der Box. Er sah auf den Bildschirm und blieb abrupt stehen. »Leck mich doch, das gibt’s doch gar nicht«, sagte er leise.
Langsam und ungläubig schüttelte Jian den Kopf. Sie hatte gewusst, dass die Kreatur schnell wachsen würde – so hatte sie den Code schließlich angelegt. Aber das hier?
»Jian«, sagte Rhumkorrf, »Sie sind sogar noch begabter, als ich angenommen habe.«
Die Ultraschallaufnahme zeigte zwei Föten, die sich, die Gesichter einander zugeneigt, in einer engen Umarmung befanden. Langsam fuhr Rhumkorrf mit seiner rechten Hand über den Trackball, wodurch das 3-D-Bild so gedreht wurde, dass man winzige fötale Merkmale erkennen konnte. Die überdimensionierten Köpfe bildeten sich bereits heraus; jeder von ihnen war größer als der Rest des dazugehörigen Körpers. Große schwarze Flecken verrieten die sich entwickelnden Augen. Winzige Ansätze zu Gliedmaßen schoben sich aus dem Rumpf. Sie sah die geisterhaften Umrisse der im Entstehen begriffenen inneren Organe.
»Feely«, sagte Rhumkorrf. »Wie schwer sind diese Embryos Ihrer Meinung nach?«
»Hmm … zwischen zweihundert und zweihundertfünfzig Gramm. Mindestens.« Tim sprach kaum hörbar flüsternd weiter. »Vielleicht sogar noch ein wenig mehr. Das normale embryonale Wachstum einer Säugetierart, deren ausgewachsene Vertreter etwa einhundertachtzig Pfund schwer sind, sollte zu diesem Zeitpunkt bei weniger als drei Gramm liegen.«
»Eine achtzigmal höhere Wachstumsrate«, sagte Rhumkorrf.
»Das ist noch mehr, als Sie vorausberechnet haben, Jian. Fantastisch!«
Fantastisch. War das das richtige Wort, um diese Dinge zu beschreiben? Nein, das war es nicht. Von einer einzigen Zelle zu einem Gewicht von knapp einem Pfund in weniger als achtundvierzig Stunden. Sie hätte begeistert sein sollen. Doch stattdessen hatte sie Angst.
Und sie war nicht ganz sicher, warum.
11. November: Es geht immer um die Benjamins
Implantation + 2 Tage
Colonel Paul Fischer stand am Rand eines brasilianischen Regenwalds und starrte hinauf in das dunkle Blätterdach. Noch nie im Leben hatte er sich so erschöpft, so völlig kaputt gefühlt. Seine Füße schmerzten. Seine Augen brannten. Der dramatische Schlafmangel und die Art, wie er von einem Ende der Welt zum anderen hetzte, hätte auch einen Mann Mitte zwanzig geschafft. Doch Paul ging stark auf die fünfzig zu.
Amgen hatte seine Forschungsstation zur Xenotransplantation mitten im tiefsten Dschungel errichtet. Rund um die Gebäude bot sich ein atemberaubender Anblick, was vor allem daran lag, dass keine Straßen die Baumreihen durchbrachen. Amgen hatte alles Notwendige mit Hubschraubern herbeigeschafft oder abtransportiert. Hinter Paul durchkämmte das bei besonderen Gefahrenlagen eingesetzte CBRN-Team das Gelände, beschlagnahmte Forschungsunterlagen und machte sämtliche Einrichtungen Amgens dicht.
Ein Vogel flog von Baum zu Baum. Paul fragte sich, zu welcher Art er wohl gehören mochte. Vielleicht würde er aus dem Dienst ausscheiden, wenn dieser Mist vorbei war. Dann könnte er hierher zurückkommen und viele Monate damit verbringen, ausschließlich zu seinem Vergnügen alle hier ansässigen Vogelarten zu katalogisieren. Doch bevor er an seine Pension denken konnte, musste er den Auftrag zu Ende bringen.
Näher kommende Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und wandte sich einem Soldaten aus der Einheit für besondere Gefahrenlagen zu, der rasch auf ihn zutrat. Der Mann war größer und wirkte einschüchternder als jeder andere Mensch, dem Paul in seinem Leben begegnet war. Er trug einen MOPP-Schutzanzug ohne Kapuze, so dass man seinen dünnen, blonden Bürstenhaarschnitt sehen konnte. Dort, wo sein rechtes Ohr hätte sein müssen, befand sich nur noch eine unförmige Masse vernarbten Gewebes. Der Mann hielt ein FN P90 in seiner rechten und ein Satellitentelefon in seiner linken Hand.
»Colonel Fischer, Sir.«
Fischer versuchte erfolglos, sich zu erinnern, wie der Mann hieß, weshalb er sich entschloss zu schummeln und den Namen von der linken Uniformbrust des Mannes abzulesen. »Was gibt’s, Sergeant O’Doyle?«
»Mister Longworth hätte gerne einen Lagebericht.« O’Doyle reichte ihm das Satellitentelefon, und Paul nahm es entgegen. O’Doyle machte einen Schritt nach vorn und sah in Richtung der Baumlinie. Jetzt lagen seine beiden Hände auf dem
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