In alle Ewigkeit
Einkaufszentrums schien bei den Ziffern 39 hängen geblieben zu sein. Menschen hockten unter Ölplanen, die über die Gemüsestände gespannt waren. Oder sie suc hten Schutz unter den Arkaden, wo der Schweiß auf dem Körper erstarrte, und viele husteten keuchend.
Niemand öffnete, als er bei Mattias klingelte. Sie wussten, dass er hier mit seiner Mutter wohnte. Sie hatten bisher keinen Grund gehabt, mit ihr zu sprechen.
Wie sieht sie wohl aus?, dachte Winter. Vielleicht gibt es einen Grund, mit ihr zu sprechen. War sie es, die neben Samic im Boot gestanden hatte?
Er hatte Mattias nicht im Krankenhaus gesehen. Hatte ihn jemand angerufen? Wusste er es?
War es sein Gesicht gewesen, das er im Garten gesehen hatte? Mattias hatte sich schon früher vor Bielkes Haus herumgetrieben wie ein verlassener Hund. Sich geweigert, Jeanettes Entscheidung zu akzeptieren.
Hatte Mattias mit Jeanette gesprochen, bevor sie versuchte, sich das Leben zu nehmen?
Er läutete noch einmal, hörte, wie das Klingeln in den Zimmern hinter der Wohnungstür verhallte. In allen Stockwerken standen Fenster offen, unabhängig davon, ob die Leute zu Hause waren oder nicht. Im Treppenhaus roch es nach trockener, verbrannter Luft.
Draußen war es besser, aber nicht viel. Der junge Polizist stand unter einem Baum und studierte seinen Streifenwagen.
»Ich geh rüber«, sagte Winter. »Warten Sie hier.«
Er ging am Kulturhaus vorbei zu den Häusern dahinter.
Die Wohnung des verschwundenen Jungen wirkte genauso traurig und unbewohnt wie beim letzten Besuch. Bald würde sie dem Hauswirt übergeben werden. Das Rätsel hier würde mit neuen Möbeln, Gardinen, Bildern, Farben, Stimmen, Bewegungen von Leben zugedeckt werden.
Die Schaukeln dort draußen bewegten sich, aber nur vom Wind. Die Kinder würden schmelzen, wenn sie dort säßen, dachte er. Überall war es still. Die Vögel waren verstummt. Der Wind von Süden war jetzt stärker, aber noch lautlos, er schob die Schaukeln vor und zurück, bald würden sich ihre Seile ineinander verwickeln. Er sah die Wolken im Süden wachsen, wie ein Gefolge des Windes. Schwarze Wolken, die bis jetzt nur ein Fünftel des Himmels dort hinten bedeckten. Er blieb in der Haustür stehen. Jetzt war der Wind zu hören, stärker, als ob jemand die Lautstärke dieses Dramas hochgedreht hätte. Die Säufer vor der Treppe des Kulturhauses schwankten im Gewitterwind.
Der Regen fiel, plötzlich, und war genauso plötzlich vorbei.
Im Süden färbte sich der Himmel wieder blau. Überall hüpften Kinder in den Wasserpfützen, die innerhalb einer Stunde verdunstet sein würden.
Er ging zurück zum Marktplatz. Bergenhem erwartete ihn, er winkte durch die Scheibe eines Zivilwagens. Sie nahmen den Fahrstuhl zu der Wohnung hinauf, in der Mattias wohnte. Noch immer machte niemand auf.
»Dem Jungen könnte was passiert sein«, sagte Bergenhem.
»Alles ist möglich«, sagte Winter. »Wir müssen sie versiegeln.« Er rief auf der Polizeistation in Frölunda an. Als die Kollegen kamen, gingen sie nach unten. Be rgenhem fuhr in Richtung Stadt.
»Fahr am Park vorbei«, sagte Winter.
Sie parkten das Auto und blickten still über den Teich unter den Bäumen. In der Grotte glänzte es nach dem Regen, und in den Bäumen und Büschen rundum glitzerte es.
Niemand ging dort auf und ab mit einer Hundeleine in der Hand. Nur er und Bergenhem waren an den Ort des Verbrechens zurückgekehrt. Ich könnte hier diesen Sommer und den halben Herbst jeden Tag eine Weile stehen, dachte er. Aber das brauche ich nicht. Bald haben wir Bielke.
Trotzdem sagte ihm eine innere Stimme etwas anderes.
»Ich denke die ganze Zeit an Fredrik«, sagte Bergenhem, als sie weiter ins Zentrum fuhren. Winter spürte, dass sein Arm wieder stärker schmerzte. Er versuchte ihn zu heben, aber der Schmerz nahm zu. Der Arm musste wahrscheinlich gegipst werden, aber nicht jetzt.
Jeanettes Gesicht war so blass wie das Kissen. Er sah, dass sie die Augen nur mühsam bewegte, als er hereinkam.
»Ich bleibe nicht lange«, sagte er. Sie schloss die Augen. »Wie fühlen Sie sich?« »Es tut weh.«
Winter saß in seinem Zimmer. Er musste sich jetzt die Zeit zum Lesen nehmen. Die Ermittlungsakten stapelten sich hoch wie Türme. Draußen kam die Nacht.
Für eine Weile hatten sie Bielke verlassen.
Das Gesicht seiner Tochter war tiefer im Kissen versunken, als sie miteinander gesprochen hatten. Nein, als Winter gesprochen hatte.
Er hatte sie Verschiedenes gefragt, und sie hatte
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