In alle Ewigkeit
nackte Körper des Mädchens, während er nach seinem Handy tastete, das er in dem schäumenden ekelhaften Wasser verloren hatte, Wasser, das immer noch aus dem Hahn floss. Dann hatte er aufgehört, in den Wassermassen zu suchen, war in ihr Zimmer gerutscht und hatte von dem Telefon an ihrem Bett angerufen. Im Badezimmer hatte er ihre Handgelenke mit seinem Gürtel und einem Stück vom Vorhang umwickelt, den er vom Fenster in ihrem Zimmer gerissen hatte. Er hatte sie künstlich beatmet. Sie hatte sich nicht gerührt, nicht aus eigener Kraft. Er hatte die Handgelenke kontrolliert, nach anderen Wunden gesucht. Getan, was er konnte, bis er die Sirene des Krankenwagens durch das Fenster hörte.
»Erik?«
»Äh... was?«
»Du musst schlafen.«
»Wie?«
»Ich werde dir helfen.«
Sie beugte sich über ihn. Sie war stark.
Sie ist stärker als ich.
»Du hast ihr das Leben gerettet.«
»Ich war zu langsam.«
»Wenn du nicht gekommen wärst, wäre sie tot gewesen.« »Sie war praktisch schon tot.« »Komm jetzt, Erik.«
Er ließ sich helfen. Ließ sich aufs Bett sinken, in den Schlaf.
Das Erste, was er roch, war Kaffee. Er hörte Elsas Stimme, sie fragte etwas mit ihren neuen Wörtern. Angela antwortete. Er versuchte sich aufzurichten und spürte seinen Ellenbogen.
In der Küche saß Elsa auf ihrem Stuhl.
»PAPA! PAPA!«
Winter ging hin und blieb lange bei ihr sitzen.
Er hatte im Krankenhaus angerufen. Jetzt saß er auf der Decke im Wohnzimmer und versuchte seinen Ellenbogen vor Elsa zu schützen. Angela hatte sie hochgehoben und spielte Flugzeug mit ihr.
»Jeanette ist über den Berg«, sagte Winter.
»Warte«, sagte sie. Sie brachte Elsa ins Kinderzimmer und kam allein zurück. »So ein braves Kind, schläft, wenn man sie darum bittet.«
»Aber eigentlich hat sie hier das Sagen.« Winter lächelte. »Jetzt bleibst du zu Hause«, sagte Angela. »Sie ist wach«, sagte er. »Nein.«
»Ich meine Jeanette.«
»Und du musst hin?«
»Bertil und Lars sind dort.«
»Ist das deine Antwort?«
»Kannst du mir beim Anziehen helfen?«
Im Schlafzimmer begann Angela zu weinen. »Ich muss immer an Fredrik denken«, sagte sie. »Was meinst du, was ich tue?«
»Ja, aber... es fühlt sich so unwirklich an. Wo ist er? Ist so was schon mal passiert?«
Er sah ihr an, dass ihr plötzlich klar wurde, was sie gesagt hatte. Ihre eigenen Erlebnisse. Die vierundzwanzig Stunden in der fremden Wohnung, die nach Hass und Wahnsinn stank. Tausend Gefühle wechselten in ihrem Gesicht, während sie dort saß, und dann war es, als tauchte sie aus einem bösen Traum wieder auf.
Sie hatten viel darüber gesprochen. Würden weiter darüber sprechen.
»Ich denke auch an seine Kinder«, sagte sie. »Können wir etwas für sie tun?«
»Seine Ex... Margaretas Mutter ist bei ihnen. Und manchmal Aneta. Hanne auch.«
»Bist du dort gewesen?«
Keine Zeit gehabt. Zu... schmerzhaft, wenn ich hingehen würde. Auch für die Kinder. Ein Bulle, der sie an Papa erinnert. »Nein, noch nicht.«
»Aber was ist mit ihm passiert?« Sie streckte sich nach seinem Hemd, das sie gebügelt und auf den Stuhl neben dem Bett gehängt hatte. Sie sah ihn an. »Er kann doch wohl nicht... umgebracht worden sein?«
Winter antwortete nicht.
»Du kannst es ja nicht wissen. Aber du musst doch irgendwas glauben, ein Gefühl haben.«
»Ich hab ein Gefühl«, sagte er. »Das sagt mir, dass wir alles tun müssen, so schnell wir können, am besten gleichzeitig. Um Fredrik zurückzuholen. Wir werden ihn finden.«
Die Frage ist, in welchem Zustand wir ihn finden, dachte er im Fahrstuhl nach unten zum Streifenwagen, der vor dem Haus wartete. Fredrik lebt nicht mehr.
35
Jeanette Bielke war wieder in künstliches Koma versetzt worden, als Winter zur Intensivstation kam.
»Das Risiko war zu groß«, sagte der Arzt.
»Wann kommt sie zu sic h?«
»Wann wir sie wieder wecken, meinen Sie?«
Winter sah den Arzt mit einem Blick an, der ihn dazu brachte, sich zusammenzureißen.
»In ein paar Stunden.«
»Ich komme in genau zwei Stunden wieder.« Winter sah auf die Uhr, die an dem Handgelenk war, das nicht verbunden in der Schlinge steckte. »Ich muss sie ein paar Sachen fragen.«
»Ich kann nichts versprechen.«
Winter dirigierte den Streifenwagen zum Frölunda-Markt. Der Fahrer war jung, er kannte ihn nicht. Das Hitzeflimmern über dem großen Parkplatz erinnerte an einen Feuersturm. Der Wind aus Süden hatte zugenommen. Die Temperaturanzeige auf dem Dach des
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