In alle Ewigkeit
Trottoir, wie? Auf dem Trottoir vorm Supermarkt in Lunden.« Er machte eine Bewegung zum Fenster. »Das ist ja nicht weit von hier.« Die Muskeln in seinem Gesicht bewegten sich wieder, ohne Kontrolle.
»Was ist passiert?« Winter wusste nicht, was er sagen sollte.
»Überfahren«, sagte Halders mit seltsamer Stimme. »Unfallflucht.« Er sah an Winter vorbei in das schöne Nachmittagslicht. »Typisch.«
»Ist es... festgestellt? Dass sie... tot ist?«, fragte Winter. »Wer hat angerufen?«
»Wie? Was hast du gesagt?«
»Wohin sollen wir fahren?« Winter stand auf. Halders stand regungslos da. In seinem Gesicht zuckte es. Er versuchte etwas zu sagen, brachte aber keinen Laut heraus. Dann sah er Winter an, sein Blick fixierte ihn, und er stand auch auf.
»Östra«, sagte er. »Ich geh jetzt.«
»Ich fahre dich«, sagte Winter.
»Das schaffe ich schon«, sagte Halders, aber Winter ging ihm voran durch die Tür. Sie nahmen den Fahrstuhl nach unten und gingen auf den Parkplatz. Halders setzte sich wortlos neben Winter, und sie fuhren los.
Eine brutale Nachricht, dachte Winter. Milde ausgedrückt. Hätten sie nicht sagen können, dass sie schwer verletzt ist? Wer hatte Halders angerufen?
Er hatte mal einen Witz über das Thema gehört. Er fiel ihm ein, als es im Auto plötzlich dunkel wurde von den hohen Häusern, die die Esplanade säumten.
Der Witz handelte von einem Mann, der im Ausland ist und zu Hause anruft. Der Bruder erzählt ihm sofort, seine Katze sei tot, und er antwortet: »Solche schrecklichen Nachrichten darfst du nicht so brutal weitergeben. Du hättest ja sagen können, die Katze war auf dem Dach... genau, die Katze war auf dem Dach, Feuerwehr und Polizei sind gekommen, und alle haben ihr Bestes getan, um sie herunterzuholen, und schließlich ist es ihnen gelungen, aber sie ist entwischt und gesprungen und so unglücklich gelandet, dass sie ins Krankenhaus musste. Ein ganzes Ärzteteam hat sie die ganze Nacht operiert, musste am Ende aber feststellen, dass das Leben der Katze nicht zu retten war. So muss man ein solch trauriges Ereignis weitergeben. Ein bisschen schonend.« Der Bruder sagt, er habe verstanden, sie verabschieden sich, und einige Tage später ruft der Mann wieder zu Hause an, und der Bruder sagt: »Es ist gerade etwas Trauriges passiert.« - »Was?«, fragt der Mann. »Mama war auf dem Dach«, antwortet der Bruder.
Winter lachte nicht, grinste nicht einmal. Halders schwieg. Sie fuhren über die Schnellstraße und bogen beim Kreisel zum Krankenhaus ab. Winter spürte den Schweiß am Rücken. Der Verkehr war dicht, Urlauber, die nach einem Tag auf den großen Inseln im Norden oder von den Seen im Süden nach Hause fuhren.
»Die Kinder wissen es noch nicht«, sagte Halders.
Winter wartete darauf, dass Halders weitersprach, während er auf den Krankenhausparkplatz fuhr. Die Schatten waren scharf und lang.
Er wusste fast gar nichts über Halders' Familie, nur, dass der Kollege schon einige Jahre geschieden war und zwei Kinder hatte.
»Ich habe zwei Kinder«, sagte Halders. »Ich weiß.«
Sie hatten erst kürzlich darüber gesprochen, aber Halders hatte es vergessen.
»Die sind jetzt in der Schule, SCHEISSE!«, schrie Halders plötzlich.
Winter parkte. Halders war ausgestiegen, bevor das Auto richtig stand, und begann auf die Krankenhausgebäude zuzulaufen.
Er war ein Fremder für Winter und gleichzeitig wie ein Familienmitglied.
Genau das dachte Winter, als er Halders' Gestalt über den Asphalt durch das Sonnenlicht rennen sah, eine Gestalt, die dunkler wurde, als er den Eingang der Notaufnahme erreichte. Halders war fremder und gleichzeitig vertrauter geworden. Wieder hatte Winter ein Gefühl von Unwirklichkeit, als ob er in einen Traum geraten wäre. Er konnte Halders nicht mehr und wusste nicht, was er tun sollte.
Hier war er erst vor kurzem gewesen, hatte Angelika Hansson aus dem Park in der City zu ihrer letzten Untersuchung begleitet. Jetzt war er wieder hier.
Halders stand an der Bahre. Margaretas Gesicht sah noch genauso aus, wie er es vom letzten Treffen in Erinnerung hatte.
Das war erst drei Tage her. Sonntag. Er war mit Hannes und Magda bei Burger King gewesen, und Margareta hatte ihnen mit einem Lächeln die Tür geöffnet, er hatte etwas gesagt und war dann mit hineingegangen. Diesmal. Sie waren keine Feinde. Das waren sie schon lange nicht mehr. Vor langer Zeit war er ein Idiot gewesen. Er war immer noch ein Idiot, aber damals war er es auf andere Art
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