In alle Ewigkeit
Studio, als Winter hereinkam. Das Studio war ein enges Durchgangszimmer zu einem anderen kleinen Raum. Auf einem der Monitore zuckte eine Linie, wie ein Pulsschlag.
»Keine angenehme Beschäftigung«, sagte Yngvesson und drehte sich mit seinem Stuhl um.
»Was hörst du da?«
»Zum Beispiel dies besondere Geräusch, wenn sich eine Schlinge um einen Hals zieht.«
»Was hat sie vorher gesagt?«
Yngvesson kehrte mit dem Blick zum Arbeitstisch zurück, der erstaunlich klein war.
»Es klingt wie ein Kampf. Stöhnen. Keine Hilferufe, aber die kann es ja auch gegeben haben.«
»Ein Kampf? Gab es einen Zweifel, wie der ausgeht, was meinst du?«
»Was meinst du selber nach allem, was du bis jetzt gehört hast?« »Nein.«
»Nein«, wiederholte Yngvesson. »Aber bei Vergewaltigungen zum Beispiel gibt es häufig eine Gelegenheit, wo das Opfer eine Chance zur Flucht sieht. Eine Chance sich zu befreien. Das haben ja viele Opfer hinterher bezeugt. Das ist, als würde eine Lücke im Kampf entstehen, oder beim Überfall, ein Moment, in dem der Täter zögert. Oder zu zögern scheint.«
»Um Verzeihung bittet?«, fragte Winter.
»Nein, nicht in dem Augenblick, das kommt später«, sagte Yngvesson. »Wenn es denn kommt.«
»Was hörst du in diesem Fall?«
»Ich höre kein Zögern«, sagte Yngvesson. »Kein Zögern.«
Im Studio war es still. Winter hörte nichts von der Welt da draußen.
»Ich möchte wissen, ob sie ihn gekannt hat«, sagte Winter jetzt.
»Wie meinst du das?«
»Ob man irgendwie hören kann, dass sie ihn kannte.«
»Darauf kann ich nicht antworten«, sagte Yngvesson. »Noch nicht jedenfalls.« Er sah Winter wieder an.
»Aber soviel weiß ich jetzt schon, dass er an dieser Stelle etwas zu ihr sagt.«
»Kannst du das rausholen?«
»Ich muss versuchen, es aus dem Tonbild herauszufiltern, wenn es am deutlichsten ist.«
»Wann ist das?«
»Wenn sie bei ihrer Tasche sind. Da ist der Ton am besten.«
»Er sagt also etwas zu ihr?«
»Oder zu sich selbst. Willst du es hören?«
Winter nickte und setzte sich auf den Stuhl neben dem größten Computer.
Die Stimme ertönte aus dem Lautsprecher. Das ist nicht Black Metal, dachte Winter. Das hier ist echt.
AAALHHIILLLIEEEAH!!
ILLAHYYELLIAIEEHH
Winter sah Yngvesson an. Sein Profil war scharf, ruhig, professionell. Gott mochte wissen, was er dachte.
»Vielleicht sagt er ihren Namen«, sagte Yngvesson, ohne den Kopf zu drehen. »Sie hieß Anne. AAALHH... das könnte ihr Name sein.«
Winter lauschte.
»Geht das noch deutlicher?«
»Ich versuche es. Nicht jetzt. Ich muss mehr an dem kräftigen Ton arbeiten, muss versuchen, ihn leiser zu kriegen. Da ist einiges drum herum, das weg muss.«
»Was zum Beispiel?«
»Es gibt verschiedenes Rauschen. Wind, vermutlich.
Verkehrsgeräusche.« »Verkehrsgeräusche?«
»Ja, Verkehrsgeräusche. Ein Auto fährt vorbei. Vielleicht dreißig Meter entfernt, vielleicht fünfzig.« »Es sind mehrere hundert Meter bis zur Straße.«
»Nicht auf diesem Band. Ich glaube, es ist ein Auto, und es ist nah, wie ich schon sagte.«
»Es könnte auf dem Fahrradweg gefahren sein.«
»Siehst du.«
»Du meinst, ein Auto ist da vorbeigefahren, als es passierte?« »Scheint so.«
»Die hätten doch das Fahrrad auf der Erde liegen sehen müssen«, sagte Winter.
»Um so was scheren sich die Leute nicht«, sagte Yngvesson. »Vom Auto aus hätte man sehen müssen, was da gerade passierte«, sagte Winter. »Dann musst du nach einem weiteren Zeugen suchen.« »Kannst du hören, was für ein Autotyp das war?«
»Natürlich«, sagte Yngvesson trocken. »Warte ein bisschen, dann liefert uns der PC auch noch das Autokennzeichen.«
Er spielte die Sequenz noch einmal.
»Da.« Er spulte zurück und ließ das Band noch einmal von vorn laufen. »Da. Das ist eine Art Satz. Jedenfalls einige Wörter hintereinander. Nicht nur das Gurgeln von einem Geisteskranken.«
Winter hörte das Gurgeln. Es klang jedes Mal schrecklicher. Wie wenn man sich ein Snuff-Movie anschaut. Menschen, die wirklich getötet werden. Ein Snuff-Tape. Ein echter Mord.
»Und ich sag dir, ich krieg das raus«, sagte Yngvesson.
»Kann man hören, ob er alt oder jung ist?«
»Immer eins nach dem anderen.« »Geht das?«
Der Tontechniker zuckte mit den Schultern, kaum merklich, schon wieder von seiner Arbeit absorbiert.
Ringmar murmelte etwas, stand widerwillig auf und ging in den Korridor.
»Du bist wirklich mit Kaffeeholen an der Reihe«, rief Winter ihm nach.
Ringmar
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