In alle Ewigkeit
dabei, die Kohle auf dem Grill zu schüren, und Winter bekam ein Bier von Anders Liljeberg, dem er seit Monaten nicht begegnet war. Viele von denen, die jetzt um ihn herumwimmelten, hatte er seit Beginn des Sommers nicht gesehen. Er trank und setzte sich in den Sand. Angela ging mit Elsa zum Wasser. Er lehnte sich zurück und hörte die Stimmen nur noch wie ein Brausen. Es duftete nach gegrilltem Fleisch. Es duftete nach Sand. Er stützte sich auf die Ellenbogen und trank den Rest Bier aus. Angela und Elsa waren noch im Wasser. Liljeberg hatte sich einen Bastrock angezogen. Durch Winters Sonnenbrille war er dunkelbraun. Liljeberg begann einen etwas eigenwilligen Samba zu tanzen und mehrere machten mit. Winter erhob sich und warf das Hemd ab. Er bekam noch ein Bier. Die Musik klang karibisch, und der Abend war genauso warm wie die Musik.
30
Die Musik bewegte sich über ihnen. Sie konnte die Konturen der Häuser auf der anderen Seite der Straße sehen, die Silhouetten der Dächer. Etwas Rundliches weiter hinten mochte ein Baum sein. Die Musik war leise: eine akustische Gitarre, Viola, Cello, ein Piano.
»Es ist schön«, sagte sie. »Eine Karte der Welt«, sagte er. »Mhm.«
»Die Platte heißt so. A Map of the World. Pat Metheny. Filmmusik, glaub ich.«
»Die hab ich ja noch gar nicht gesehen in deinem Stapel«, sagte sie.
»Ich hab sie heute gekauft. Die hör ich jetzt zum ersten Mal.« »Wie findest du sie?«
»Richtig schön. Ich hätte sie nicht entdeckt, aber Winter hat sie gehört.«
Aneta Djanali antwortete nicht. Sie bewegte sich ein wenig nach links, etwas näher an Halders heran, der still auf dem Rücken im Bett lag.
Die Kinder schliefen, schon seit Stunden. Er hatte geschlafen, vielleicht zwanzig Minuten. Es hatte jedenfalls so geklungen. Sie hatte nicht geschlafen.
Wie waren sie hier gelandet?
Warum eigentlich nicht?
Sie waren immer noch angezogen. Es war nicht... so. Jedenfalls noch nicht, dachte sie, als die Platte die Spur wechselte und die Gitarre allein spielte.
Was hätte sie getan, wenn Fredrik den obersten Knopf ihrer Bluse aufgeknöpft hätte?
Er würde es nie tun. Sie wusste nicht mal sicher, ob er wollte. Doch. Vielleicht war es nahe daran gewesen. Würden sie es tun? Oder würden sie weitermachen, so als wären sie Geschwister? Mit dem Unterschied, dass erwachsene Geschwister nicht den ganzen Tag und den ganzen Abend und die halben Nächte zusammen waren, wie sie jetzt.
Liebte er seine Frau? Anfangs hatte er sie geliebt. Das musste so gewesen sein. Dann hatten sie einander verloren.
Sie hob die rechte Hand und sah auf die Leuchtziffern ihrer Armbanduhr. Es war zwei. Draußen begann der Morgen. Sie bewegte den Kopf, um besser aus dem Fenster sehen zu können. Die Nacht verblasste jetzt, der Morgen dämmerte herauf. Das Licht übernahm wieder die Vormacht. Vor einigen Stunden war es umgekehrt gewesen, und Fredrik hatte Dylan Thomas zitiert, wie er es an einem anderen Abend auch getan hatte, vielleicht richtig, vielleicht falsch, don't go gently into that good night, rage, rage, against the dying of the light, »das ist das Einzige, was ich von diesem Gedicht kann«, hatte er gesagt. »Aber ich erinnere mich, weil es auf dem Cover zu einer Platte gestanden hat, die Chris Hillman vor ein paar Jahren gemacht hat.«
Jetzt schniefte er neben ihr, der Mann, der seine literarische Schulung durch das Cover einer Country-Platte bekommen hatte.
Er hatte seine Frau geliebt, und er hatte sie vielleicht auch noch geliebt, als er allein gewesen war, aber das hatte er nie gesagt. Es hat sich vor allem um die Kinder gedreht. Er hatte von den Kindern geredet, damals. Manchmal mehr, manchmal weniger. Auch jetzt ging es um die Kinder. Die Kinder waren hier, in den Zimmern auf der anderen Seite der Diele. Er ging oft hinüber, wenn sie einschlafen sollten oder wenn sie schliefen.
Einige Male hatte sie geglaubt, nur darum gehe es Fredrik Halders. Er zeigte es nicht, sprach nicht darüber. Er gehörte zu den Männern, die sich nach Nähe sehnen und sich vor richtigen Berührungen fürchten. Die sich hinter Worten verbargen, hinter harten und glatten und sicheren und leeren Worten.
Die sich entziehen können, dachte sie, als die Sonne jetzt über den Dächern zu ahnen war. Die plötzlich rauswollen, auf der Stelle, rasch, von hier wegwollen, umgehend.
Winter war im Morgenlicht nach Westen gefahren. Bengt und Lisen Wagner hatten mit Kaffee auf ihn gewartet, den er in der Küche getrunken hatte. Von
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