In Blut geschrieben
fragte Brolin überrascht.
»Ja, dort hatte Malicia Bents ihr Postfach eröffnet.«
Brolin dachte wieder an Annabels Worte. Sie hatte von mehreren Opfern gesprochen, die aus dieser Stadt oder der näheren Umgebung stammten.
»Auf jeden Fall ist nichts dabei herausgekommen. Entweder Malicia Bents hat uns entdeckt, oder sie ist gewarnt worden. Es sei denn, sie hat aufgegeben … Rechtlich betrachtet gibt es sie nicht, keine Person dieses Namens im ganzen Land.«
»Musste sie für die Eröffnung des Postfachs nicht verschiedene Angaben machen?«
»Nein, das ist ganz einfach. Bei manchen Postämtern geht es sogar telefonisch. Auf jeden Fall ist es kinderleicht, sich die Angaben einer anderen Person zu beschaffen. Allein im letzten Jahr wurde fünfhunderttausend Menschen in unserem schönen Land die Identität gestohlen! Können Sie sich das vorstellen? In Arztpraxen und Schulen gibt es Karteien mit Namen, Adressen, Telefon- und Sozialversicherungsnummern. Es ist ein Leichtes, gleich mehrere zu entwenden. Manche Versicherungsgesellschaften oder Schulen bedienen sich sogar der Sozialversicherungsnummern als Identitätsnachweis. Unsere Abteilungen arbeiten mit der Staatsanwaltschaft und den Geheimdiensten zusammen, um diesen Handel zu unterbinden, aber das ist so gut wie unmöglich. Sie können sich also denken, wie einfach sich Malicia Bents eine Identität beschaffen konnte!«
»Sind Sie bei Ihren Ermittlungen schon vorangekommen?«
Freddy Copperpot tippte mit dem Zeigefinger auf seine Dokumentenmappe.
»Wir haben die elektronischen Archive durchwühlt, ob es schon einmal Pakete an diese Malicia Bents gegeben hat. Es waren insgesamt siebenunddreißig!«
Brolin schauderte, er war sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Der Bundesbeamte fuhr fort: »Natürlich wissen wir nicht, was sie enthielten, aber wenn sie zur gleichen Kategorie zählten … Andererseits verfügen wir über ein gut ausgestattetes Labor in New York. Bei den Fingerabdrücken war nichts mehr zu machen, denn mehrere Personen hatten das Paket in der Hand gehabt, bevor wir es übernommen haben. Wir haben uns daher an einen Gutachter gewandt, um die Schrift des Absenders untersuchen zu lassen. Die allgemeinen Merkmale, Ausprägung, Größe, Strichrichtung und die morphologische Analyse der Buchstaben mit ihrer kindlichen Motorik haben ergeben, dass es sich um einen Linkshänder, wahrscheinlich einen Mann, handelt. Bei der Tinte war nichts Auffälliges festzustellen, eine ganz banale Zusammensetzung, Farbstoff und Eisensalze in einer Gallensäuresuspension. Der Fachverband der Farbstoffe und Druckerpressen hat uns Zugang zu seiner Datenbank über Tinten gewährt, mehr als dreitausend chromatographische Tintenmuster, aber es war ein zu weit verbreitetes Produkt, als dass es ein Indiz hätte sein können. Nach sechs Monaten wissen wir daher noch immer nicht mehr über diese geheimnisvolle Frau oder über ihren Freund, den Absender.«
Brolin versuchte, ein wenig Ordnung in seinen erregten Geist zu bringen. Was war aus alledem zu schließen? Dass nicht nur ein, sondern noch zwei Mitglieder der Caliban-Sekte auf freiem Fuß waren? Diese Malicia und ein Linkshänder, Bob selbst. Nein, warte!Denk an Lucas Shapiro! Richtig, Shapiro war Linkshänder. Brolin ließ den Film der Ereignisse noch einmal an seinem geistigen Auge vorüberziehen: Shapiro konnte sehr wohl der Absender des Pakets sein.
Den Indizien folgend, waren sie davon ausgegangen, dass die Sekte nur drei Mitglieder hatte. Das schloss jedoch nicht aus, dass es am Rande noch Nebenfiguren gab – wie Janine Shapiro, die Lucas assistierte, und nun auch Malicia Bents, Bobs Schatten.
Malicia Bents oder wie immer ihr richtiger Name lautete. Eine Frau, die in der Umgebung von Phillipsburg wohnte.
Er musste mit Annabel reden, ihr seine Theorie auseinander setzen, ihr das Grauen schildern, gegen das er anzukämpfen hatte.
Brolin erhob sich und ließ Freddy Copperpot perplex zurück. Er legte einen Geldschein auf den Tisch und versprach, ihn bald anzurufen. Kalte Luft strömte ins Bistro, als er die Tür aufriss.
Er musste Malicia Bents identifizieren, dann würde er auch Bob finden.
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1 US Postal ist die nationale Post in den USA. Dort gibt es eine spezielle Ermittlungseinheit, deren Beamte polizeiliche Kompetenzen haben: Sie tragen Waffen und dürfen Verhaftungen vornehmen. Sie achten darauf, dass an die zweihundert amtliche Regelungen, die den Postverkehr betreffen, eingehalten werden, und
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