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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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den sie jetzt auf das Papier aufbringt, ist aus Polyester und nur fünf Mikrometer dick. Anschließend lädt sie das Dokument mit einer Spannung von fünftausend Volt elektrostatisch auf. Dann berieselt das Aerosol es mit Tonerpulver, das sich in den Furchen ablagert, in denen das Dokument dem Strom den geringsten Widerstand bietet. Bei diesen Furchen handelt es sich um die mit bloßem Auge nicht sichtbaren Druckspuren, die Shapiros Stift bei dem Schreibvorgang auf dem darunter liegenden Blatt hinterlassen hat.«
    »So als würde man mit einer Bleistiftmine über ein weißes Blatt streichen, um das Relief herauszuarbeiten …?«
    »Genau das. Nur ist dieser Prozess wesentlich präziser und zeigt Veränderungen auf dem Papier, die wir so nie hätten sehen können. Mit diesem System macht man in bestimmten Fällen auch Fingerabdrücke sichtbar. Sehen Sie, jetzt hat Diane das Ergebnis auf der Polyesterbeschichtung. Zur Fixierung und leichteren Handhabung überzieht sie sie mit einer Folie. Ich bin zwar kein Spezialist, aber wir wenden diese Methode oft an.«
    Keel klopfte zweimal kurz an die Scheibe. Diane Bardolino machte ihm ein Zeichen, dass er sich noch ein wenig gedulden müsse. Sie ging auf die andere Seite des Labors und legte die Folie unter eine riesige Lupe. Dann nickte sie und winkte die beiden Männer herein.
    »Ich weiß nicht, ob das das Resultat ist, das Sie erwartet haben, aber hier sehen Sie, was auf der Seite davor geschrieben stand.«
    Sie legte die Folie auf eine weiße Unterlage und reichte sie ihnen. Die Furchen, in denen sich der Toner abgelagert hatte, ergaben: OAK’S BAR, BOX 2 – MONTAGUE 15H.
    Keel fasste Cahill beim Ellenbogen.
    »Wir haben ihn. Montague ist eine Stadt in der Nähe des Waggons mit den Skeletten. Wie ich Ihnen gesagt habe, das wahre Vergnügen war vorhin …«
    Neil Keel zog sein Handy heraus.
    »MacNamer? Bereiten Sie alles vor, wir fahren nach Montague in New Jersey, ja, dorthin, wo die Skelette gefunden wurden. Ich brauche eine Einsatztruppe zur Unterstützung. Abfahrt in einer halben Stunde. Sieh zu, wie du das hinkriegst!«
    Dann wandte er sich zu Cahill um und sah ihm fest in die Augen: »Jetzt kriegen wir diesen Dreckskerl ›Bob‹ zu fassen.«
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    1 ESDA: Electrostatic Detection Apparatus: Apparat zur elektrostatischen Spurensuche. Das Gerät kann durchgedrückte Schreibspuren auf einem Papier sichtbar machen. Dazu wird das Papier befeuchtet, mit einer Folie versehen, elektrostatisch aufgeladen und mit Toner bestreut. Der Toner lagert sich in den Furchen ab und zeigt, was sich beim Schreiben durchgedrückt hat.

60
    Die Stufen waren feucht und rutschig.
    Sie schienen Brolin in die Abgründe der Welt zu führen. Enrique ging dicht hinter ihm, die Fackel in der Hand, um mit ihrer Flamme die Finsternis zu durchdringen. Jeder Schritt war ein Schritt ins Ungewisse. Brolin stützte sich an den Wänden ab, um nicht zu stolpern. Das Licht reichte nur bis zu seinen Füßen, und er sah vor sich nichts als einen unergründlichen schwarzen Schlund.
    Abrupt hörten die Stufen auf.
    Ein gewundener, in den Stein gehauener Gang schlängelte sich durch die ewige Nacht. Er war ebenso niedrig wie schmal, und so konnte sich Brolin nur in gebeugter Haltung vorwärts bewegen. Hinter ihm hielt Enrique die Fackel so hoch wie möglich. Die Flammen leckten an der Decke und hinterließen darauf eine Spur schwarzen Geifers. An der ersten Biegung hörte Brolin von fern, aber deutlich einen Schmerzensschrei. Ein Mann im Todeskampf.
    »Achte nicht darauf«, warnte ihn Enrique. »Los weiter, geradeaus.«
    Die Finger des Privatdetektivs umklammerten den leeren Halfter. Mae Zappe hatte nicht gewollt, dass Annabel von diesem Abstecher in die Unterwelt erfuhr, sie wollte sie schützen. Plötzlich überkamen Brolin Zweifel. Und wenn dieser Ort so gefährlich war, wie die alte Voodoo-Priesterin angedeutet hatte? Wie auch immer, jetzt konnte er nicht mehr zurück.
    Nach etwa hundert Metern Fußmarsch in schmerzhaft gebückter Haltung machte ihm Enrique ein Zeichen, stehen zu bleiben. Der kleine Mann schob sich an ihm vorbei und begrüßte ein anderes Mitglied der Gang, das sich im Schatten einer Nische verborgen hielt und sie bis zu einer angelehnten Tür führte. Er stieß sie auf und sprach auf Spanisch mit seinen Kumpanen. Aus den Augenwinkeln sah Brolin den Nacken eines Mannes, der mit dem Rücken zur Tür auf einem Stuhl saß. Blut tropfte auf die Stuhllehne.
    Der Wächter kam zurück, nahm

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