In Blut geschrieben

Stimme.
    Jedes Mal wenn sich seine Brust hob, gab sie ein unangenehm schmatzendes Geräusch von sich, das von den verletzten Organen herrührte.
    »Ich … ich habe keine Angst … Jetzt bin ich nie mehr allein …«
    Ein feiner Blutfaden rann über sein Kinn.
    »Ich bin nicht mehr allein … Nie mehr …«
    Seine Augen verschleierten sich mit Tränen.
    »Sie sind bei mir … Alle … Ich habe sie in mir … jetzt …«
    Cahill, der ihn noch immer im Arm hielt, erschauderte. Bobs Lächeln wurde breiter.
    »Sie sind in mir … Ich habe sie gegessen … Sie wohnen in mir … und ich werde nie mehr … allein sein.«
    Die Tränen rannen nicht, sie würden es nie mehr können.
    Robert »Bob« Fairziaks Körper wurde schwer, die Glieder gaben nach, er war nur noch ein Fleischpaket ohne Seele.
    Brett Cahill verharrte eine Minute neben ihm, dann wandte er sich an Captain Lowels.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    Neil Keel, der Leiter der Operation, schwieg, er begnügte sich damit, Lowels anzusehen.
    »Unsere Intervention hat ihn überrascht«, erklärte der Captain, »aber er hat uns trotzdem mit einer Knarre erwartet. Wir haben auf ihn gezielt, und dieser Idiot ist vier, fünf Sekunden dagehockt und hat versucht, uns auszumachen. Ich glaube, er hatte begriffen, dass es vorbei war. Er hat seine Waffe auf Martins gerichtet, der am nächsten vor ihm stand, und in diesem Augenblick haben wir das Feuer eröffnet.«
    »Woher wussten Sie, dass er die Sache beenden wollte?«
    »Ich glaube, er hat gelächelt, bevor er Martins bedroht hat, ein bitteres Lächeln. Ich denke, er wusste, dass er keine Chance hatte.«
    Einer der Männer der Einsatztruppe kam ins Zimmer geeilt.
    »Hinter einem Schrank ist eine verborgene Treppe, sie führt wohl in den Keller.«
    Keel nahm Martins das Sturmgewehr ab.
    »Das sehen wir uns an. Gott allein weiß, was uns unten erwartet.« Vier Männer folgten ihm.
    Brett Cahill zog seine Waffe und schloss sich ihnen nach kurzem Zögern an.

68
    Brolin warf die Buchstaben zurück in die Packung mit dem Monopoly-Spiel.
    Sie hatten sich alle täuschen lassen.
    Caliban war kein Konzept …
    Caliban ist unser Herr …
    … sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, der Meister.
    »He! Das geht doch nicht!«, rief der Angestellte. »Sie können doch nicht einfach die Verpackung aufreißen.«
    Mit einem Satz war Brolin auf den Füßen, so dass der Verkäufer verblüfft dastand, bis Brolin zur Tür hinaus auf die Straße gerannt war.
    Brolin rempelte zwei Jugendliche an, die der Form halber protestierten, und wählte die Nummer von Annabels Piepser. Sie war auf dem Handy nicht zu erreichen, sie sollte ihn vom Telefon des Sheriffs aus zurückrufen.
    Er steckte die Hände in die Jackentaschen und stieß dabei auf die Postkarte. Die Postkarte, die Bob Ed, dem Fälscher, geschrieben und die er diesem vorhin abgekauft hatte. Sie war älteren Datums, eine vergilbte Schwarz-Weiß-Fotografie. Er erinnerte sich an die Karte, die bei Spencer Lynch gefunden wurde. Die gleiche Art, aus derselben Zeit, nur ein anderes Motiv.
    Brolin zog sie hervor. Oben stand in winzigen Lettern: » LEDGEWOOD – UND DER KANAL. 1899.« Er dachte angestrengt nach, bis ihm der Name Boonton wieder einfiel. Annabel hatte ihm erklärt, dass die bei Lynch entdeckte Karte nicht mehr hergestellt würde, dass auf ihr die Stadt Boonton abgebildet sei, die von einem Kanal durchquert wurde … An den Namen konnte er sich nicht mehr erinnern.
    Er sprach ein junges Pärchen an und fragte nach dem nächsten Internet-Café. Sie nannten ihm eine Adresse etwas weiter an der 103rd Street.
    Brolin hatte es schnell gefunden und trat ein. Disco-Musik verbreitete gute Stimmung im Raum. Trotz der späten Stunde waren die meisten Stühle besetzt. Zwei Frauen im Vampir-Look warfen dem Privatdetektiv viel sagende Blicke zu. Brolin schenkte ihnen keine Beachtung, zahlte die Minimalpauschale am Tresen und nahm vor einem Computer Platz. Er legte die Postkarte neben die Tastatur, rief eine Suchmaschine auf und zog währenddessen seine Lederjacke aus.
    Er gab »Ledgewood« + »Boonton« ein, und auf dem Bildschirm erschienen nach wenigen Sekunden drei Ergebnisse, die jeweils beide Städtenamen enthielten.
    »… von Phillipsburg ausgehend, durchquert der Morris-Kanal die Städte Lopatcong … Ledgewood … Boonton …«
    Brolin stützte das Kinn auf die Hand.
    Warum benutzt Bob alte Postkarten, die mit dem Morris-Kanal zu tun haben?
    Phillipsburg …
    Genau in dieser Gegend