Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
Vom Netzwerk:
wieder auf, ihre Knie zitterten. Der Flur lag im Dunkeln, nur durch das Fenster in ihrem Zimmer fiel ein dünner Lichtstrahl des Mondes. Sie wollte sich hineinflüchten. Erstarrte erneut. Die Tür zu ihrem Zimmer stand weit offen. Sie wusste aber ganz genau, dass sie sie zugezogen hatte, bevor sie gegangen war, für den Fall … Hier stimmte etwas nicht, da war sie sich ganz sicher.
    Laurie drehte sich lautlos um, doch es war so dunkel im Flur, dass sie nichts sehen konnte. Er war einfach zu lang.
    Halt! Wenn sich Tim tagsüber geschnitten hatte, warum war dann das Blut noch feucht?
    Als sie gerade das Schlafzimmer ihrer Eltern betreten wollte, spürte sie seine Gegenwart.
    Sie war nicht allein im Flur.
    Da war noch jemand.
    Laurie schluckte vor Angst und hatte den Eindruck, das ganze Viertel müsste sie hören. Stille.
    Dann schien jemand ein dumpfes Geräusch von sich zu geben, direkt neben ihr, sie hatte es deutlich gehört.
    »Mama?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Tim, bist du es?« Es gelang ihr nicht, ihren Worten Kraft zu verleihen, sie erstarben schon an der Schwelle ihrer Lippen.
    Sie trat einen Schritt zurück, zum Licht, zu ihrem Zimmer. Zum Schloss in ihrer verdammten Tür!
    Plötzlich nahm sie ein Atmen wahr.
    Schwer. Nein! Erregt!
    Erregt vor Lust! Eine Alarmglocke schrillte in ihrem Hirn.
    Sie schnellte herum.
    Ihr ganzer Körper streckte sich in einer einzigen Bewegung. Sie rannte los, die Muskeln zum Zerreißen angespannt.
    Ihr Oberkörper war schon halb in der Türöffnung, dann die Beine. Die rechte Hand sauste durch die Luft, suchte den Türgriff. Sie spürte den Kunststoff unter ihren Fingern, umklammerte ihn, wollte sich in die andere Richtung werfen, um die Tür zu schließen.
    Ihr Kopf explodierte, und vor ihren Augen funkelten Blitze.
    Blut schoss ihr aus der Nase, unter der Wucht des Schlags zerbrach einer ihrer Schneidezähne.
    In dem Augenblick, als sie sich gegen die Tür warf, brach die Dunkelheit über sie herein.
    Laurie fiel hintenüber und stieß einen von Speichel und Blut erstickten Schrei aus. Es war plötzlich, als schlüge ihr Herz mitten in ihrem Kopf, direkt gegen Schädelwand und Stirn. Eine erdrückende Hitze erfasste ihr Gesicht. Sie wollte sich aufrichten, auf den Ellbogen abstützen.
    Es folgte ein brutaler Hieb genau auf die Nase. Die Heftigkeit presste ihr die Luft aus der Brust, der Aufschrei blieb ihr in der Kehle stecken. Dann floss eine eklige Brühe über sie, man goss Säure auf ihre Augen, Wangen, ihren Mund, Haut und Schleimhäute verbrannten, schmolzen geradezu. Ein heftiger Krampf erfasste sie, hob ihr Brustbein – ein letztes Mal.
    Laurie wusste, dass dies das Ende war.
    Er versuchte, zur Ruhe zu kommen. Er atmete zu schnell, seine Hände waren so verspannt, dass die Finger schmerzten. Das erlebte er oft bei dieser Art von Erregung. Er hatte festgestellt, dass nach dem Akt viele kleine rote Äderchen hinter seinen Ohren und manchmal bis in die Augen geplatzt waren. Er legte die mit Chloroform getränkte Watte neben das Tränengasspray und den Besenstiel, mit dem er das Mädchen niedergeschlagen hatte. Etwas benommen beugte er sich zu ihr hinunter. Das Tränengas mischte sich mit dem Blut. Die Kleine war wirklich arg zugerichtet.
    Er öffnete ihre Jacke und schob Pullover und T-Shirt nach oben. Ihr Bauch war ganz flach, die seidige Haut war glatt und weich. Eine Wonne, sie zu berühren. Mit dieser hier würde man sich erst mal ein wenig amüsieren, vorher.
    Er suchte ihren Puls. Sie würde beim Aufwachen leiden, aber sie war nicht lebensgefährlich verletzt. Sie war nur entstellt.
    Er richtete sich auf und räumte die Sachen in seinen Rucksack. Besser, man ließ nichts herumliegen. Er musste noch das Auto auf diese Straßenseite fahren, die ganze, gut mit Klebestreifen verschnürte Familie einladen und dann nach Hause fahren.
    Und vor allem musste er morgen fit sein, um bei der Arbeit den Schein zu wahren. Das war wichtig.
    Eigentlich das Wichtigste.

32
    Mit der Ankunft der Verstärkung wuchs die Sonderkommission auf zwölf Detectives an, die mit den Ermittlungen über die »Caliban-Sekte«, wie sie nun offiziell genannt wurde, betraut waren. Jack Thayer leitete die Aktionen unter dem besorgten Blick von Captain Woodbine. Unterstützt von zwei Detectives sammelten Bo Attwel und Fabrizio Collins weiterhin Angaben zu den Opfern, während sich die Neuankömmlinge, Polizisten im Dreiteiler und direkt vom Büro des Bürgermeisters abgestellt, mit den

Weitere Kostenlose Bücher