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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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er auch Mao, weil er China mit seiner Kulturrevolution um Jahrzehnte zurückgeworfen hatte. Zu dieser Zeit waren
    Geistesmenschen degradiert, Universitäten geschlossen, die Künste und die Wissenschaft fast ausgeschaltet worden. Aus der Korruption, die Mao abzuschaffen gedachte, waren neue Formen der Korruption entstanden. Das lag nun allerdings schon eine Weile zurück.
    Sowohl Mao als auch der liberalere Chou Enlai waren tot, neue Führer waren an der Macht.
    Trotzdem wimmelte es noch von Maoisten. Widerwillig dachte er an die gegenwärtige Metapher in der Politik: »Die beiden Enden sind heiß, die Mitte kalt.« Was in China hieß, daß die oberste sowie die unterste Gesellschaftsschicht den Wechsel herbeisehnte, doch dazwischen saßen in fast allen Bereichen noch immer Maos Bürokraten, die sich durch die progressiven Veränderungen bedroht fühlten. Sie waren indigniert und klammerten sich zornig an den alten Status quo. Die Reformatoren ließen das nicht ungehört verhallen. Im Jahre 1979 mußten sie dem Volk, das nach Demokratie verlangte, wohl oder übel Gehör schenken. Mit unendlicher Geduld hoffte das Volk noch immer auf die Demokratie, die Mao ihnen einst zugesichert hatte.
    Er wandte sich den beiden Männern zu, die neben ihm saßen. Tausend Fragen brannten ihm auf der Seele. Die Männer spürten seinen Blick und lächelten ihm zu, eifrig bemüht, ihm ihre freundschaftlichen Gefühle zu zeigen.
    » Nihao«, sagte er, vermied jedoch absichtlich jede tonale Färbung, so daß sein Gruß flach, schleppend und ausgesprochen plump klang. Sein Nachbar nickte heftig. Der Chinese auf dem Fensterplatz neigte sich vor, hob erstaunt die Augenbrauen und lächelte anerkennend. Er bot ihm eine Zigarette der Marke Double Happiness an. Er lehnte höflich ab. Die beiden Chinesen nahmen ihr Gespräch wieder auf. Er sah, wie sich Mrs. Pollifax und die beiden Männer neben ihr erhoben, sich ausgiebigst voreinander verneigten und sich zulächelten.
    Dann tauschten sie die Plätze. Mrs. Pollifax saß jetzt auf dem Fensterplatz. Er fragte sich verdutzt, wie sie das den Männern wohl begreiflich gemacht hatte. Schließlich sprach sie ja kein Wort chinesisch.
    Er hätte auch liebend gern gewußt, wieviel sie inzwischen in Erfahrung gebracht hatte; denn Carstairs hatte ihr nicht viel verraten. Ob sie sich wohl darüber im klaren war, daß Mr. Wang aus China hinausgeleitet werden mußte, falls es gelang, ihn zu befreien? Daß er
    hinauseskortiert, geführt oder geschleppt werden mußte. Das hing ganz davon ab, ob er noch Sympathien für seine Heimat hegte und wie es um seine politische Einstellung stand.
    Ob Mrs. Pollifax wohl schon begriffen hatte, daß er sich von der Gruppe trennen mußte, damit Wang außer Landes gebracht werden konnte? Ausländern war es einfach nicht
    gestattet, irgendwo in China unterzutauchen. Wann würde sie erkennen, daß es der Zweck dieser Reise war, ihn verschwinden zu lassen, daß sie ihm alle dabei helfen würden, ohne es zu wissen, und als Geiseln fungierten...
    Am Flughafen von Xian wurden sie von einer Frau begrüßt. Beim Anblick dieser
    Fremdenführerin zeichneten sich Staunen und Entzücken auf Iris' Gesicht ab. Das amüsierte Mrs. Pollifax. Mr. Li kannte die Frau offensichtlich schon von früheren Gruppenreisen her und begrüßte sie hocherfreut. »Das ist Miß Bai«, stellte er sie ihnen vor. Miß Bai war zierlich, ganz ernst und gesetzt und offenbar sehr kompetent. Mr. Li war sichtlich erleichtert, sie in Xian anzutreffen. Angesichts seiner Reaktion erkannte Mrs. Pollifax auf einmal, welche Anspannung sich ständig hinter seinem nervösen Lächeln verbarg. Er mußte nicht nur den Leuten gefallen, deren Reiseleiter er war, und sie zufriedenstellen, er mußte es auch der namenlosen, gesichtslosen Obrigkeit recht machen, die ihn unter Tausenden von Bewerbern ausgewählt hatte, damit er sich der Ausländer annahm. »Hier werden Sie nicht so weit außerhalb der Stadt Quartier beziehen«, versicherte er ihnen fröhlich. »Das Hotel liegt mitten in Xian.«
    »Hurra!« rief Jenny.
    Im Flugzeug waren sie getrennt gewesen. Mrs. Pollifax bemerkte, daß sie sich jetzt begrüßten wie verlorengeglaubte Freunde. Selbst Peter sah nicht mehr so mürrisch aus. Als sie zu ihrem Kleinbus gingen, hörte Mrs. Pollifax, wie er Malcolm nach seinen Büchern fr agte. Das hatte sich ja schnell herumgesprochen.
    Joe Forbes machte sich über Jennys Frisur lustig. Sie hatte ihr Haar zu einem Zopf geflochten. »Sie

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