in China
das bitte fest, bevor er andere Pläne macht.«
»Sie möchten also Turfan bald«, sagte er, nachdem er das verdaut hatte.
»Ja, unbedingt!« Mr. Lis verständnisloses Gesicht bewies ihr, daß er zwar recht gut Englisch sprach, die Sprache aber nicht so gut verstand. »Zuerst nach Turfan«, wiederholte sie. Er schien ihren Wunsch begriffen zu haben. Da war sie beruhigt. Er darf sein Gesicht nicht verlieren, dachte sie, als sie in den Kleinbus stieg, der schon vor dem Flughafengebäude bereitstand. Wieviel versteht er wohl von unserem Geplapper? Wieviel würde ich wohl verstehen, wenn die Leute so schnell sprechen, noch dazu in verschiedenen Dialekten und vermischt mit Slangausdrücken?
Ihr Hotel lag wieder einmal fast eine Autostunde außerhalb der Stadt; aber diesmal bemängelte sie das nicht. Im Yannan fühlten sie sich gleich heimisch, was in dem Hotel außerhalb von Kanton mit seiner vulgären Art Deco-Einrichtung nicht der Fall gewesen war.
Das frugale russische Dekor des Hotels in Xian war auch befremdend gewesen. In der Halle des Yannan-Hotels befand sich nur ein sehr bescheidener Fischteich. Durch eine offene Schiebetür blickte man in einen kleineren helleren Speisesaal. Die Gästezimmer lagen alle zu ebener Erde, oder besser gesagt, ein paar Stufen höher als die Halle. Mrs. Pollifax fand ihr Zimmer geräumig genug, und es wirkte wunderbar kühl. Die Wände waren weiß gestrichen, an einer hing ein zauberhaftes Aquarell, offenbar ein Original, das den türkischen Einfluß verriet. Es zeugte von den neuen interessanten Strömungen in der Provinz Sinkiang.
Trotz der späten Stunde war Mrs. Pollifax ausgesprochen ruhelos. Sie wartete darauf, daß ihr Koffer aufs Zimmer gebracht wurde. Schließlich strebte sie wieder der Halle zu und kam dabei an einem kleinen Andenkenstand vorüber. Der war wegen der amerikanischen
Reisegruppe noch nicht geschlossen worden, da diese erst vor kurzem eingetroffen war. Eine junge Frau bediente. George und Iris nahmen die Schätze schon genau in Augenschein. In der Halle stieß Mrs. Pollifax auf Malcolm, der auf dem Rand des Fischteiches saß. »Lebendige Fische«, sagte er und wies in das Bassin. »Na, wie fühlen Sie sich?«
»Bisher erstaunlich gut«, entgegnete sie.
»Jenny hat eine leichte Magenverstimmung. Ich habe ihr zwei von meinen Tabletten
gegeben«, sagte er. »Wissen Sie, ob sonst noch jemand davon befallen ist?«
»Nicht daß ich wüßte«, erwiderte sie. »Aber sie wird bestimmt nicht die einzige bleiben.
Erfahrungsgemäß stößt man immer irgendwann im Verlauf der Reise auf einen rebellischen neuen Helfer in der Küche, der partout nicht einsehen will, warum er das Wasser für Ausländer abkochen soll und es deshalb unterläßt. Mit so was muß man immer rechnen, so sind die Menschen nun mal.«
Er betrachtete sie amüsiert. »Sie sprechen aus Erfahrung was die menschliche Natur angeht, meine ich. Und da Jenny nichts als abgekochtes Wasser getrunken hat...«
»So genanntes abgekochtes Wasser.«
»... liegt die Sache klar auf der Hand. Wirklich alarmierend«, fügte er hinzu. Sein Blick wanderte zu Iris, die mit allen Anzeichen der Erregung auf sie zukam, gefolgt von dem lächelnden George.
»Sehen Sie mal!« rief sie verzückt und streckte den Arm aus.
»George hat darauf bestanden, mir das zu kaufen!« Sie hielt ein rundes Stück antiker weißer Jade in der Hand, unglaublich fein ziseliert. Iris strahlte vor Freude.
»So fein gearbeitet«, hauchte Mrs. Pollifax und beugte sich darüber, um es genauer begutachten zu können.
»Wunderschön«, sagte Malcolm, nachdem er einen kurzen Blick darauf geworfen hatte. Dann sah er Iris an.
Iris errötete zart. »Es ist sehr alt«, sagte sie fast unterwürfig.
Jenny rief ihnen über die Halle hinweg zu: »Sind die Koffer schon da?«
»Wie fühlen Sie sich jetzt?« fragte Malcolm sie.
Malcolm rückte beiseite, als Jenny zu ihnen trat, damit sie sich auch auf den Rand des Fischbassins setzen konnte. »Danke, schon viel besser. Ich hätte meine Pillen gegen Durchfall nicht ausgerechnet im Koffer vergraben sollen. So oft bekommen wir unser Gepäck ja gar nicht zu sehen. Vielen Dank, daß Sie mir ausgeholfen haben, Malcolm. Was ist denn das?« fragte sie Iris.
»Weiße Jade. Ist sie nicht herrlich?«
Da schwangen die breiten Glastüren auf. Mr. Li, Mr. Kan, zwei Hotelangestellte und Joe Forbes brachten das Gepäck herein.
Iris sagte: »Da sind die Koffer ja endlich. Gute Nacht allerseits - bis morgen
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