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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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Straßenecke.
    Sheng Ti stand wartend neben einem Eselskarren. Der milchige Mond beleuchtete seine Züge nur schwach. Er warf einen Blick auf die beiden Ausländer und ihr Gepäck, der Mrs. Pollifax zu denken gab. Es war ein abschätzender Blick, vielsagend und geheimnisvoll. »Ich fahre mit?« fragte der Chinese.
    Peter lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht nötig. In zwei Stunden sind wir wieder da.«
    »Ich habe den Karren nicht gestohlen«, fügte Sheng hinzu. Neugierig ließ er seine Augen über die Leinenschuhe, die Baumwollhosen und die wattierte Jacke gleiten, die Mrs. Pollifax zu diesem Ausflug trug.
    »Gut«, sagte Peter nur, warf das Gepäck hinten in den Karren und hob Mrs. Pollifax mit großartiger Gebärde auf den Sitz hinauf. Dann quetschte er sich neben sie.
    Sheng Ti übergab ihm die Zügel. »Zaijian«, sagte er und trat in den Schatten der Mauer zurück.
    Der Esel setzte sich in Bewegung, der zweirädrige Wagen kippte nach vorn, die Räder ächzten gequält, sie fuhren. Als Mrs. Pollifax sich noch einmal umdrehte, war Sheng Ti schon verschwunden. Ein einsamer Radfahrer kam in der Dunkelheit aus der Gegenrichtung.
    Als er auf der Höhe des Wagens angekommen war, rief er ihnen einen Gruß zu. Peter erwiderte den Gruß auf chinesisch - mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er diese Sprache sein Leben lang gesprochen. Sobald der Radfahrer vorbei war, sagte er: »Ich glaube, jetzt halten wir besser an und machen uns Schlitzaugen, bevor wir noch jemandem
    begegnen.« Neben einem freien Stück Mauer brachte er das Tier zum Stehen.
    »Was für eine komische Erfindung«, sagte Mrs. Pollifax, als er seine Taschenlampe einmal ganz kurz aufblinken ließ.
    »Das Erstaunliche ist, daß es nicht zu sehen ist und auch nicht weh tut. Jetzt sind Sie eine echte Han«, berichtete er sehr zufrieden. Im schwachen Mondlicht sah sie sein Lächeln aufblitzen.
    Sie fuhren langsam die Straße entlang und hatten Turfan bald hinter sich gelassen. Ab und zu kamen ihnen Radfahrer entgegen, die von der Arbeit kamen oder zur Arbeit fuhren. Der bleiche Mond warf schwarze Schatten von den Bäumen auf die dunkle Straße. Irgendwo bellte ein Hund. Sie hörten eine Stimme hinter einer Wand. Aber abgesehen vom Klippklapp der Hufe des Esels und dem Rollen der Räder, war bald kein Laut mehr zu hören. Ringsum die schweigende Wüste.
    »Ach, wie herrlich, endlich einmal ein paar Stunden frei zu sein«, seufzte Peter
    überglücklich.
    Mrs. Pollifax empfand das ebenso. Sie war in sehr gehobener Stimmung. Was für eine Erlösung, draußen im Freien zu sein, nichts als die unendliche Weite ringsum. Sie hielt es gut ohne Mr. Li, Mr. Kan und die Reisegruppe aus. Bewegt entgegnete sie: »Es ist das reine Glück! Gehen wir auch kein Risiko ein, wenn wir englisch sprechen?«
    Er wies auf die Einöde ringsum. »Wer sollte uns denn hier hören?«
    Also unterhielten sie sich. Erzählten sich gegenseitig von ihren Familien, berichteten, was sie zurückgelassen hatten, um nach China zu reisen. Sie sprachen über die Wüste. »Die Taklamakan-Wüste hat man ein heißhungriges gieriges Monster genannt«, erzählte Peter.
    »Sie gilt als viel heimtückischer als die Wüste Gobi. Sie verschlingt nicht nur Menschen, sondern auch ganze Städte.«
    »Städte?« wiederholte sie ungläubig.
    Peter nickte. »Ja, ganze Städte... blühende Handelszentren zu der Zeit als die Seidenstraße Hochkonjunktur hatte. Immer wieder stoßen Archäologen auf eine solche Stadt, und im Sand dieser Wüste sind wahrscheinlich mehr Schätze vergraben, als wir uns in unseren kühnsten Träumen vorstellen können. Natürlich auch die Gebeine von Menschen und Tieren, die in die mörderischen Sandstürme geraten sind.«
    Ein eisiger Schauer lief ihr den Rücken hinunter. »Wir sind doch hier nicht richtig in der Wüste, oder?«
    »Nein, und da fahren wir auch nicht hin. Wir befinden uns nur ganz am Rande.«
    »Und Sie und X werden die Wüste doch auch nicht durchqueren, nicht wahr?«
    »Nein, wir werden sie umgehen.«
    Als sie sich leise in dem Rhythmus unterhielten, in dem der Esel dahintrottete und der umwölkte Mond sie immer mehr verzauberte, dachte Mrs. Pollifax an Cyrus und kam auch auf ihn zu sprechen.
    »Warum heiraten Sie ihn nicht?« fragte Peter unverblümt.
    »Das werde ich auch tun, wenn wir das hinter uns haben und ich alles heil überstehe«, verkündete sie mit einer Festigkeit, die sie selbst erschreckte. »Inzwischen bin ich zu der

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