in China
Einsicht gelangt, daß ich aus ganz falschen Gründen so lange gezögert habe. Wirklich idiotische Gründe haben mich davon abgehalten, seine Frau zu werden.«
»Jemand hat einmal gesagt, wenn das Herz spricht.«
Mrs. Pollifax nickte. »Mein Herz hat gesprochen. Ich habe gezögert, weil ich ganz sicher sein wollte, und weil ich das Gefühl hatte, daß sich vieles ändern würde, wenn ich erst einmal verheiratet bin. Ich hatte Angst, daß ich all das würde aufgeben müssen.«
»All das«, murmelte Peter und lächelte plötzlich. »Sie sind also auch eine Abenteuerin!«
»Ja - nein - ja, natürlich bin ich das«, gab sie lachend zu. »Aber eines habe ich dabei vergessen -«
»Ja?« hakte er neugierig nach.
»Ich habe nicht bedacht, daß sich dadurch alles ändert«, fuhr sie fort. »Seit der Begegnung mit Carstairs bin ich sozusagen wieder ein nützliches Glied der Gesellschaft. In mir ist seither eine solche Wandlung vorgegangen, daß nichts wieder sein wird wie früher.« Wie ein Kaleidoskop, dachte sie, als ihr das erste Abenteuer wieder einfiel, das sie zu bestehen hatte.
»Aber auch durch die Begegnung mit Cyrus habe ich mich so geändert, daß ich nie wieder dieselbe wie früher sein werde. Ich sehe jetzt alles mit anderen Augen. Selbst das«, fügte sie wehmütig hinzu. »Das ist mir jetzt erst klargeworden.«
»Aber Sie bedauern doch wohl nicht, daß Sie sich darauf eingelassen haben?« fragte er.
Mrs. Pollifax schüttelte den Kopf. »Aber nein! Wie Sie sehen, hatte ich noch viel zu lernen.
Sehr wichtige Dinge! Und das in meinem Alter!«
Peter berichtete seufzend: »Ich fürchte, meine Eltern sind schon vor vielen Jahren stehengeblieben und haben seitdem nichts mehr dazugelernt. Deshalb bin ich ein Versager, ein ruheloser Wechselbalg geworden. Meine Eltern sind sehr konventionelle, gutbürgerliche Leute. Allerdings muß ich ihnen zugutehalten, daß sie mich nach Harvard geschickt haben.
Doch da habe ich auch nicht hingepaßt. Na ja, wenigstens...«
»Wenigstens haben Sie dort Chinesisch gelernt.«
»Ja. Komisch, nicht? Es ist mir regelrecht zugefallen, ohne daß ich jemals Unterricht in dieser Sprache hatte. Es war fast, als hätte ich diese Sprache früher schon einmal beherrscht.
Sie haben doch sicher schon von Wiedergeburt und Seelenwanderung gehört. Glauben Sie an diese Lehre, die so manche Religion vertritt?«
»Aber selbstverständlich«, gab sie offen zu. »Für mich war die Wiedergeburt lange eine sehr hilfreiche und bedeutungsvolle Erklärung für all die merkwürdigen Dinge, die den Menschen widerfahren. Vielleicht hat so manche Tragödie, unheimliche Errettung aus allergrößter Not und so mancher unglaubliche Zufall damit zu tun.« Plötzlich lachte sie. »Cyrus erinnert mich übrigens sehr an einen Mandarin. Er ist zwar sehr groß und ein typischer Amerikaner, doch der Schnitt seiner Augen ist ostasiatisch. Deshalb habe ich mich auch gleich zu ihm hingezogen gefühlt. Wie ich auch immer schon von China fasziniert war«, fügte sie nachdenklich hinzu.
»Ob wir uns wohl in einem früheren Leben schon einmal begegnet sind, was meinen Sie?«
fragte Peter kichernd.
Sie sprach es nicht aus, aber sie dachte: Ja, das halte ich für möglich. Warum sollte ich wohl sonst so viel für dich empfinden, urplötzlich und ganz unerklärlich, und warum sollte ich sonst in Panik geraten bei dem Gedanken, was dir bevorsteht? Zwischen uns herrscht ein stilles wortloses Einverständnis. So etwas habe ich bisher außer bei Tsanko und Cyrus noch nicht erlebt. Was sie aussprach, hörte sich folgendermaßen an: »Ja, das ist durchaus möglich.
Dieses Gefühl der Schicksalhaftigkeit, wo sich die Bahnen zweier Sterne kreuzen, habe ich in letzter Zeit immer öfter. Wissen Sie, ich habe ein sehr prosaisches Leben geführt. Dann bin ich ganz plötzlich Carstairs begegnet. Seitdem frage ich mich immer wieder, ob dieses merkwürdige neue Leben mein Schicksal ist und meiner all die Jahre geharrt hat, als ich so friedlich vor mich hinlebte. Ich habe mich oft gefragt«, fügte sie fast unhörbar hinzu,
»inwieweit wir überhaupt selbst entscheiden können, wenn es sich um einschneidende Dinge handelt. Wie steht es überhaupt mit unserer Entscheidungsfreiheit? Ist Peter Fox übrigens Ihr richtiger Name?« fragte sie ganz plötzlich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich heiße zwar Peter, aber Fox ist nicht mein richtiger Name.« Er sah auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr und sagte: »Wir sind jetzt genau
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