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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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zu Hilfe geeilt? Hatte sie etwas in Erfahrung gebracht? Aber wie? Auf dem Ausflug ertappte sie sich dabei, daß sie alles tat, um Iris aus dem Weg zu gehen, um weder neben ihr hergehen noch mit ihr sprechen oder sie auch nur ansehen zu müssen.
    Bekümmert mußte sie feststellen, daß Iris ebenfalls die Flucht ergriff, um sich nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen. Es schien, als wisse jeder etwas über den anderen, was er nicht wahrhaben wollte. Was hatte Iris bloß um ein Uhr früh vor ihrem Zimmer zu suchen gehabt?
    Da sie keine Antwort auf diese Frage fand, überließ sich Mrs. Pollifax ganz dem Augenblick und bemühte sich, Gefallen an dem Ausflug in die Wüste zu den Höhlen der Tausend
    Buddhas zu finden. Das war nicht schwer. Sie befanden sich im Herzen der legendären Seidenstraße, von der Historiker glauben, daß es sie schon vor zweitausend Jahren gab. Die La ndschaft wies keine der Farben auf, an die das Auge gewöhnt war. So weit das Auge reichte, nichts als alle Schattierungen von beige, terrakotta, cremefarben, lohfarben und einem staubigen Grau. Das Tal mutete fast surrealistisch an. Schrundige
    Sandsteinschroffen, von Wind und Sonne gefurchtes Tafelland und zerklüftete Berge, die sich übereinandertürmten, die hitzeflirrende Luft durchstießen und bis in den
    ausgewaschenen Himmel zu ragen schienen. Nichts bewegte sich, alles bis auf die seltsam geformten Berge und Schroffen, die ein Eigenleben zu führen schienen, wirkte seltsam leblos. Trotzdem wirkte diese Landschaft weder abweisend noch trostlos. Es war herrlich, sich durch diese Weite zu bewegen, und die große Palette von Erdfarben wirkte so warm wie von der Gluthitze der Sonne getoastet. Als sie aus dem Bus stiegen, um die Höhlen zu besichtigen, staunte Mrs. Pollifax. Sie befanden sich in einer zartgrünen Oase. Ein schmaler zerklüfteter Streifen Land, eingebettet zwischen Sandsteinhügel, wie mit dem Messer eingekerbt. Mitten durch dieses wundersame grüne Band wand sich ein Kanal mit klarem Wasser aus den Bergen. Von den Klippen hoch oben schaute sie in diese Oase hinunter. Mrs.
    Pollifax war starr vor Staunen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie eine lange Karawane von Kamelen, Pferden und Eseln, die sich langsam durch das unwegsame Tal auf die Oase zubewegte, in der eiskaltes Gletscherwasser sprudelte, das eigentlich im Widerspruch zu der sengenden Sonne über der Wüste stand. Im Geiste hörte sie die Glocken der Kamele klingeln und hörte, wie sich die Angehörigen verschiedener Völkerstämme etwas zuriefen. Exotische Laute, wie sie auf der Alten Seidenstraße gang und gäbe waren, drangen an ihr Ohr. Von China aus hatte die Seidenstraße durch Persien, Indien und Turkestan geführt, und die Kamele waren mit Seide, Pelzen, Porzellan und Jade, Eisen, Lack-und Bronzearbeiten beladen gewesen. Reisten sie nach China ein, führten sie Gold und Edelsteine, Glas, Wolle und kostbare Stoffe mit sich. Doch die größte Bedeutung hatte zweifellos der Buddhismus gehabt, der ebenfalls über die Seidenstraße nach China eingedrungen war.
    »Ja«, flüsterte sie ergriffen, »deswegen bin ich hergekommen, das hatte ich zu sehen und zu erleben gehofft.« Wie verzaubert stand sie da, bis Mr. Li sie anrief und sie jäh aus ihren Träumen riß.
    Zum Mittagessen fuhren sie zurück nach Turfan. Sie aßen in dem kleinen heißen Speisesaal des Gästehauses. Der eine Ventilator schaffte es kaum, ihnen ein wenig kühle Luft zuzufächeln. George war wieder zielstrebig auf den einzigen kühleren Platz zugesteuert. Mrs.
    Pollifax war nun wieder guten Mutes, doch der Rest der Gruppe schloß sich ihr nicht an. Sie hatten sich unmerklich in zwei Lager gespalten. Obwohl sie das weder durch Gesten, Blicke oder gar Worte manifestierten, hatten sich Mrs. Pollifax und Malcolm stillschweigend zusammengetan, um Iris und damit auch Peter zu schützen. Bei den übrigen war kaum zu übersehen, wem sie die Treue hielten.
    Bei Jenny wurde das besonders deutlich. Sie fand jetzt endlich Anerkennung und kam damit zu ihrem Recht. George und Joe Forbes lagen ihr sozusagen zu Füßen, und wenn ihre Stimme auch schrill klang, so versprühte sie doch wieder ihren koboldhaften Charme. Großmütig bot sie allen von den Rosinen an, die sie am Tage zuvor auf dem Basar erstanden hatte und war nicht einmal gekränkt, als Mrs. Pollifax und Peter ablehnten. George hatte seine
    Baseballmütze wieder so zurechtgerückt, daß er verwegen aussah, doch sein Gesicht war eine Maske der

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