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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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doch lieber an Cyrus denken. Lieber, lieber Cyrus... oder Bishop. Oder Carstairs. Ach ja, und meine Geranien.‹ Sie mußte sich irgendwie ablenken und durfte auf keinen Fall daran denken, was am Fluß geschehen war und was eventuell schiefgelaufen sein könnte.
    Sie wünschte, der Mann am Fenster würde sich umdrehen, doch er blieb hartnäckig mit dem Rücken zu ihr am Fenster stehen.
    Schließlich schob der junge Funktionär die Papiere beiseite und wandte sich ihr zu. Er sagte mit ausdrucksloser Miene: »Ich bedaure unendlich, daß es zu so einer Tragödie gekommen ist. Ich muß Ihnen leider ein paar Fragen stellen, um herauszufinden, wie das passieren konnte und wer die Schuld daran trägt.«
    Mrs. Pollifax entgegnete höflich: »Es ist für uns alle ein tragischer, ein ganz schrecklicher Verlust, und ich wüßte nicht, wer daran schuld sein sollte.«
    Der Funktionär schnarrte: »Mr. Li...«
    Mr. Li schrak zusammen.
    »Oh, Mr. Li trifft wirklich keine Schuld«, sagte sie ganz resolut. »Er ist ein hervorragender Reiseleiter. Wir haben von ihm immer nur Gutes erfahren.«
    Mr. Li sah sie erstaunt an. Dann senkte er den Blick. Vermutlich hatte er nicht damit gerechnet, daß sie sich für ihn einsetzen würde.
    »Aber Mr. Li hat Sie reiten lassen!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie können ja nicht wissen, wie sich das Ganze abgespielt hat«, versicherte sie ihm ernst. »Wir haben alle die Reitkünste der Kasachen bewundert. Es war großartig«, betonte sie. »Doch alle, außer mir, hatten schon auf einem Pferd gesessen und ritten ausgezeichnet. Und Amerikaner...« sie zögerte und sah ihm direkt in die Augen, »... wir Amerikaner neigen dazu, auf dem zu beharren, was wir uns einmal in den Kopf gesetzt haben. Peter hat als erster darum gebeten, auch einmal reiten zu dürfen, und die Kasachen waren sehr liebenswürdig und ließen ihn ein Pferd besteigen. Dann haben sie das Pferd mit Peter im Sattel die Wiese entlanggeführt, und erst als sie gesehen hatten, daß er sich mit Pferden auskannte und wirklich reiten konnte, haben sie ihm die Zügel überlassen.«
    Sie unterbrach sich, weil ihr plötzlich zu Bewußtsein kam, daß sie ihn mit Banalitäten überschüttete. »Jedenfalls erlaubten sie ihm netterweise, die Wiese auf eigene Faust entlangzugaloppieren. Dann baten die anderen auch, einmal reiten zu dürfen, doch Peter bestand darauf, daß ich als nächste in den Sattel stieg, weil ich noch nie geritten war. Und weil er dachte, es wäre doch nett, mich hoch zu Roß zu knipsen.«
    Die Stimme des Funktionärs troff vor Sarkasmus, als er sie fragte: »Hat er Sie fotografiert?«
    »Ich weiß es nicht. Das Pferd ist mit mir durchgegangen. Die Kasachen trifft keine Schuld daran«, warf sie rasch ein. »Wir haben alle miteinander gelacht. Sie sahen, wieviel Freude uns das Reiten machte, und stellten uns willig ihre Pferde zur Verfügung.«
    »Und Mr. Li?«
    »Er hat dabeigestanden und zugesehen«, sagte Mrs. Pollifax. »Er hat für uns gedolmetscht und den Kasachen klargemacht, wie schön wir ihre Pferde finden. Er lächelte, als er unsere Begeisterung sah.« Er hatte keineswegs gelächelt, sondern finster dreingeblickt, aber was machte das schon aus.
    »Das Pferd ist also mit Ihnen durchgegangen«, wiederholte der Funktionär und schaute auf seine Notizen.
    »Ja.«
    »Und Mr. Peter Fox ist hinter Ihnen hergeritten?«
    »Ja, ganz recht.«
    Er machte eine effektvolle Pause und fuhr dann aalglatt fort: »So? Dann kommen wir jetzt zum wichtigsten Teil. Ihr Pferd ist also durchgegangen, wie Sie sagen. Bergan und dann den Berghang hinunter bis zur Ebene. Und Mr. Fox ritt Ihnen nach.«
    Er sprach ausgezeichnet englisch. Ob er wohl einmal in den Vereinigten Staaten gelebt hatte?
    Sie wagte ihn nicht danach zu fragen. »Das Pferd ist davongaloppiert oder wie man das nennt«, erklärte sie, »und mein rechter Fuß hatte sich im Steigbügel verfangen. Vom Berggrat aus hatte ich den Fluß gesehen, und als wir dann der Schlucht immer näher kamen, wußte ich, daß ich unbedingt abspringen mußte.«
    Er ließ sie nicht aus den Augen. »Ja, ich verstehe. Es ist Ihnen also gelungen, Ihren Fuß wieder freizubekommen?«
    Mrs. Pollifax nickte. »Ja, das hatte ich zwar schon die ganze Zeit versucht. In meiner verzweifelten Lage habe ich dann doch noch Glück gehabt. Ich bin schleunigst abgesprungen und habe mir dabei das Handgelenk gebrochen.«
    Da wandte sich der Mann am Fenster ganz abrupt um und sah sie zum erstenmal an. Ihre Blicke

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