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in China

in China

Titel: in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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trafen sich. Sie bedauerte sofort, ihm in die Augen gesehen zu haben; denn sein Blick zermürbte sie und nahm ihr allen Mut. Der junge Mann, der sie bisher vernommen hatte, betrachtete sie mit rein professionellem Interesse, doch der Blick des älteren Mannes war durchdringend und hellwach. Es sah ganz danach aus, als könne ihm nichts verborgen bleiben. Sie dachte: er muß der Vorgesetzte dieses jungen Mannes sein. Bisher hat er mir wortlos zugehört und ganz genau auf meinen Tonfall und jede Schwankung geachtet. Jetzt wird er mein Gesicht, meine Augen und meine Hände studieren, um daraus Schlüsse zu ziehen. Doch er wirkte durchaus nicht unfreundlich. Sein eisengraues Haar paßte zu seinem Mao-Anzug, und seine Züge ließen einen Gelehrten in ihm vermuten.
    Sie wandte sich wieder dem jungen Mann zu. »Ich verstehe«, erklärte er höflich mit einem Blick auf ihren eingegipsten Arm.
    »Und wo war Mr. Joseph Forbes?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er war nicht zu sehen. Aber Peter - Peter Fox kam herbeigaloppiert, sprang aus dem Sattel und eilte mir zu Hilfe. Mein Handgelenk schmerzte fürchterlich. Er half mir auf. Wir standen da und überlegten, was wir machen sollten. Peter hat sich bei mir entschuldigt.«
    »Entschuldigt?« wiederholte der junge Mann.
    »Ja, weil er darauf bestanden hat, daß ich das Pferd besteige. Und dann tauchte ganz plötzlich Joe Forbes auf. Er hatte sein Pferd im Wald an einem Baum festgebunden und hatte sich uns zu Fuß durch die Wüste genähert. Wir sind sehr erschrocken.«
    »Und was geschah dann?«
    Sie hielt den Blick entschlossen auf den jungen Mann gerichtet, der ihr am Tisch
    gegenübersaß. »Er hat Peter fürchterlich beschimpft. Er hat ihm alles mögliche an den Kopf geworfen, weil Peter zugelassen hatte, daß ich das Pferd bestieg.
    Er hat ihn auch beschimpft, weil Peter Iris Damson ausgenutzt haben soll, wie er sich ausdrückte.« Ihr fiel etwas ein, und sie war nicht mehr zu bremsen. »Er hat Peter einen... soll ich das Wort wirklich aussprechen?«
    »Ich bitte darum«, sagte der junge Mann.
    »Er nannte ihn einen Schweinehund durch und durch«, erklärte Mrs. Pollifax. »Da hat ihm Peter einen Boxhieb in die Magengrube versetzt, und ich bin in Ohnmacht gefallen.«
    »Sie sind also in Ohnmacht gefallen«, vergewisserte sich der junge Funktionär und sah sie nachdenklich an.
    »Jawohl.«
    »Ich verstehe. Und nun werden Sie mir gleich erzählen, daß Sie nicht mehr wissen, was sich innerhalb der nächsten Minuten abgespielt hat«, sagte er ironisch.
    Das zahlte sie ihm heim, indem sie das Kinn in die Luft reckte und ihrer Stimme eine gewisse Schärfe verlieh. »Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß das Pferd mit mir
    durchgegangen war, ich mein letztes Stündchen nahe glaubte, ich vom Pferd gesprungen war und mir das Handgelenk gebrochen hatte. Und wenn es Sie auch offensichtlich amüsiert, daß ich daraufhin das Bewußtsein verloren habe, so ändert das doch nichts an der Tatsache, daß ich in Ohnmacht gefallen bin.«
    »Ja«, sagte er und lächelte anerkennend. »Und was haben Sie gesehen, als Sie wieder aus Ihrer Ohnmacht erwacht sind?«
    »Vermutlich genau das, was Sie auch gesehen haben müssen, als Sie die Gegend
    durchkämmten«, ließ sie verlauten. »Von Peter keine Spur, überall Blut, und Joe Forbes ganz dicht am Abgrund. Ich bin zu ihm gehumpelt und habe gesehen, daß er mausetot war.« Sie schüttelte sich. »Dann fiel mir auf, daß Mr. Forbes mit einer Hand den Ärmel einer Mao-Jacke fest umklammert hielt. Und Peter... Peter hatte eine solche Jacke angehabt. Da kam mir der entsetzliche Gedanke, daß Peter möglicherweise ebenfalls tot war. Haben Sie ihn inzwischen gefunden?«
    »Nein«, erwiderte er kurzangebunden.
    Sie beschloß, ihm das zu glauben. »Ich begreife gar nicht, worauf Sie hinauswollen? Was wollen Sie denn wissen? Das alles ist so schrecklich, und wir sind völlig durcheinander.«
    »So etwas ist eben noch nie vorgekommen«, sagte er.
    »Natürlich erkranken manche Touristen. Aber hier handelt es sich um Mord.«
    »Ja«, gab Mrs. Pollifax zu. Der Mann am Fenster beobachtete sie unablässig. Das zerrte an ihren Nerven. Sie mußte sich ständig zwingen, ihn nicht anzusehen.
    Der junge Funktionär blätterte seine Unterlagen durch. »Mr. Li hat uns berichtet, daß es zwischen diesem jungen Peter Fox und Mrs. Damson etwas gegeben hat, das den Streit womöglich ausgelöst haben könnte. Mr. Li hat uns erzählt, daß Mr. Fox in Turfan eine ganze

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