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In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
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Berge im Hintergrund, die wie am Himmel festgebacken aussahen, hatte sie Heimweh bekommen, Sehnsucht nach dem Wind, dem Wasser, der salzgetränkten, feuchten Luft. Aber das war davor gewesen. Jetzt könnte sie sich gut vorstellen, den Rest ihres Lebens weit weg vom Anblick, den Geräuschen und dem Geruch des Ozeans zu verbringen, weit weg von einer Insel, dem Sand oder den Fischen. Aber Hector und ihre anderen Söhne waren wie ihr Vater - nicht geschaffen für eine Arbeit, die nicht mit Wasser zu tun hatte. Deshalb hatte sie keine andere Chance, als zu bleiben und Annie Laurie vor dem Hintergrund des Meeres großzuziehen, zuzusehen, wie ihre Liebe zum Wasser ebenso groß wurde wie die ihres Vaters und dessen Vater und der gesamten Generation der O’Neals.
    Sie hatte nicht vergessen, wie es war, das Meer zu lieben. Die Leute machten immer ein Heidengetue wegen der Art, wie Inselbewohnerinnen das Meer hassten, wie eifersüchtig sie auf die Liebe waren, die ihre Männer mit dem Meer verband. Doch das kam erst später, wenn sie Ehefrauen und Mütter wurden. Als Mädchen liebten sie das Meer genauso wie die Männer und folgten ihren Vätern mit Begeisterung, sofern ihre Mütter es ihnen erlaubten, was meistens nicht der Fall war. Bis zu einem gewissen Punkt gelang es den Müttern zwar, ihre Kinder zu Hause zu halten, doch es kam der Tag, an dem die Jungen aufbrachen. Der Tag, an dem sich ihre Väter gegen die Mütter durchsetzten und damit ihr Schicksal besiegelten. Die Frauen blieben zurück, hatten nur sich und
ihre Kleinen, mussten dafür sorgen, dass der Haushalt erledigt war und immer etwas zu essen auf dem Herd stand. Es war lange her, fünfzig Jahre oder noch länger, seit Doris dem Meer abgeschworen hatte, als sie aufgehört hatte, zu betteln, in ein Boot steigen zu dürfen.
    Wie May mit ihren Schildkröten wusste auch Doris, dass sie Annie Laurie nicht vor allem beschützen konnte, doch sie hatte dafür gesorgt, dass das Mädchen gut schwimmen, ihr Boot navigieren und die Anzeichen eines Sturms am Himmel erkennen konnte. Doris hatte ihr alles übers Wetter beigebracht, hatte ihr erklärt, dass die Stürme meist von Westen heranzogen. Was sie dem Kind nicht beibringen konnte, war dieses andere Wissen, jenes, das sie selbst von Kindheit an besaß. »Du bist mit einer Glückshaube geboren worden«, hatte ihre Großmutter immer gesagt. »Das heißt, du siehst Dinge, die wir anderen nicht sehen können.« Es hatte Doris immer Angst gemacht, und sie hatte sich gefragt, was eine Glückshaube sein mochte. Wie es ausgesehen haben mochte, als sie damit zur Welt gekommen war. Wie etwas, das um ihren Kopf geschlungen war und ihre Augen bedeckte, sie aber trotzdem befähigte, Dinge zu sehen, die für den Rest der Welt unsichtbar waren. Wie diese Glückshaube etwas über sie sagte, noch bevor sie gerade einmal eine Minute auf der Welt war. Sie hatte nicht anders sein wollen, nicht aus der Masse herausstechen. Sie hatte so sein wollen wie ihre Schwestern, Jane und Ellen, ein ganz normales Mädchen.
    Doch die Gabe hatte sich entwickelt, genau wie ihre Großmutter vorhergesehen hatte. Beim ersten Mal war sie sechs und hatte in drei aufeinanderfolgenden Nächten denselben Traum, der ihr so grässliche Angst einjagte, dass sie am vierten Abend heimlich Kaffee trank, fest entschlossen, wach zu bleiben. Doch irgendwann schlief sie trotzdem ein, und der Traum kam wieder, eine ganze Woche lang, bis er schließlich wahr wurde. Ihre Cousine Josephine ertrank mit gerade
mal drei Jahren in der Regentonne auf der hinteren Veranda. Der Traum war nicht wie ein Film gewesen, sondern lediglich eine Abfolge von Bildern - ein Stuhl neben der Regentonne, Josephines zerbrochene Kindertasse auf dem Boden, das Platschen von Wasser. Doch es waren ihre Gefühle, Angst und Entsetzen, die alles so schrecklich machten. Und dann die Schuldgefühle, als ihre Cousine starb. Schuldgefühle, weil sie es gewusst und niemandem anvertraut hatte. Sie hatte etwas gewusst und doch wieder nicht. Bis zum heutigen Tag war sie sich nicht sicher, ob diese Träume eine Warnung waren, um zu verhindern, dass etwas Schlimmes passieren würde, oder die Ahnung, dass etwas geschehen würde, was sich nicht aufhalten ließ.
    Es war eine Sache, die Gefahr zu kennen, sich ihrer so sicher zu sein wie des Blutes, das durch ihre Adern floss, aber eine völlig andere, jemanden davon zu überzeugen, besonders so starrsinnige Menschen wie ihren Mann und ihre Tochter. Eine Woche vor

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