In dein Herz geschrieben
Klappstühle so hingestellt, dass sie aufs Meer hinaussehen konnten, nahm ein kaltes Bier aus der Kühltasche und setzte sich neben seinen neuen Trinkkumpan.
»Sie will nicht mit uns reden«, sagte Dennis. »May sagt, sie sei müde und wolle nur noch ins Bett.«
»Gut.« Hector trank die halbe Flasche auf einen Zug aus und rülpste laut, gefolgt von einem erlösten Aaaah .
Dennis trank ebenfalls einen Schluck und tat es ihm nach. »Ich glaube nicht, dass sie jemals wieder mit uns redet.«
»Ich auch nicht.« Hector hatte keine Lust, sich zu unterhalten, aber wenn Dennis unbedingt wollte, sollte es ihm recht sein.
»Ich verstehe nicht, was sie so wütend macht. Schließlich haben wir es doch nicht mit Absicht getan.«
»Stimmt.« Hector spürte, wie sich das gewohnte, leicht taube Gefühl in seinem Kopf ausbreitete. Er trank aus und nahm die nächste Flasche aus der Kühlbox.
Eine Zeit lang saßen sie schweigend da, lauschten dem Plätschern der Wellen, dem Sirren der Stechmücken und tranken noch ein paar Biere. Als Dennis das Wort ergriff, standen die leeren Flaschen wie Soldaten neben ihren Stühlen aufgereiht.
»Tja«, sagte er, »wenn du mich fragst, ist sie nur ein bisschen emotional. Woher sollten wir wissen, dass sie über Bord gegangen ist? Wir dachten, sie sei im Badezimmer. Und du weißt ja selber, wie lange Frauen immer brauchen.« Er stieß Hector an. »Was tun sie deiner Meinung nach eigentlich da drin so lange?«
»Keine Ahnung«, antwortete Hector. »Aber wäre sie nicht so lange da unten geblieben, hätten wir mitbekommen, als sie über Bord gegangen ist.«
»Genau«, bestätigte Dennis. »Also ist es verdammt noch mal ihre eigene Schuld.«
Nach einem weiteren Bier stand Dennis auf und griff nach den Tennisschuhen, die Hector aus dem Wasser gefischt hatte, bevor sie der Küstenwache gefolgt waren. Er nahm sie bei den Schnürsenkeln und schwenkte sie hin und her. »Soll ich dir sagen, was ich jetzt mache? Ich bringe ihr diese Schuhe und sage ihr anständig die Meinung. Genau das werde ich jetzt tun.«
Hector blickte auf und versuchte, seine Augen unter Kontrolle zu bekommen. Mittlerweile war er reichlich angeheitert und hatte keine Lust, sich die Stimmung vermiesen zu lassen, aber er konnte seinen Kumpel auf keinen Fall allein losziehen lassen. Was für ein Mann würde so etwas tun? Nein, er musste aufstehen und sich mit ihm in die Schlacht stürzen. Er trank sein Bier aus und erhob sich. Im ersten Moment glaubte er, Wind sei aufgekommen und lasse das Boot schwanken, doch als er auf den Sund hinausblickte, merkte er, dass die
Wasseroberfläche vollkommen glatt und ruhig dalag. Okay, O’Neal, reiß dich zusammen, dachte er.
Er ging vor Dennis her von Bord und hielt ihm die Hand hin, um ihm auf den Anleger zu helfen. Bei Walton und May war längst alles dunkel, nur bei Cassandra brannte noch Licht, das eine über der Küchenspüle und ein zweites, dessen Schein auf die Einfahrt fiel. Wieso war sie überhaupt noch wach? Nach allem, was sie durchgemacht hatte, sollte sie doch völlig erschöpft sein. Dabei hatte sie gar nicht so übel ausgesehen, als sie sich vorhin an diesen Burschen von der Küstenwache gekuschelt hatte. So dankbar er diesen Leuten war, dass sie sie gefunden hatten, so ging ihm Cassandras Weigerung, mit ihnen zurückzufahren, gehörig gegen den Strich. Wusste sie denn nicht, dass es wie beim Reiten war? Und ein Ritt mit dem verdammten Küstenwacheboot zählte nicht. Diese dämlichen Schmalspurpiraten. Es spielte keine Rolle, dass er selbst früher einer gewesen war.
Dennis musterte seine Füße, als hätte er vergessen, weshalb sie an Land gekommen waren.
»Sollen wir das wirklich tun?«, fragte Hector.
»Was?«, meinte Dennis. »Oh. Ja, verdammt, wir tun es. Los, komm.«
Diesmal ging er voraus, vergaß jedoch die drei Stufen am Ende des Docks, und lag prompt da, mit dem Gesicht im Gras. Hector überlegte bereits, ihn einfach liegen und schlafen zu lassen, als Dennis den Kopf hob und sich aufrappelte. Als er sich nach den Schuhen bückte, geriet er ins Taumeln und schlug mit den Armen, als wolle er einen Ruderwettbewerb gewinnen. Hector trat um ihn herum und hob die Schuhe auf, ehe sie die Einfahrt entlangmarschierten und unter Cassandras Fenster stehen blieben.
Nach einer Minute sahen sie sich an. »Was machen wir jetzt?«, flüsterte Dennis.
»Verdammt«, stieß Hector hervor. »Keine Ahnung.«
»Ich fühle mich wie eine Motte.«
Hector sah ihn verständnislos
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