Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In dein Herz geschrieben

Titel: In dein Herz geschrieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Duncan Andrea Brandl
Vom Netzwerk:
Rücken ein wenig Zeit, die richtige Position zu finden. Du lieber Himmel, das hatte ihr Herz aber anständig zum Klopfen gebracht. Wer war dort oben gewesen und hatte das Fenster offen gelassen? Das, an dem auch die Jalousie fehlte. Wahrscheinlich waren inzwischen alle möglichen Käfer hineingeflogen. In diesem Jahr war sie noch nicht oben gewesen, und Walton ging auch nur hinauf, um das Dach nach heftigem Regenguss auf Löcher zu untersuchen. Annie Laurie. So musste es sein. May hatte nichts dagegen einzuwenden, wenn sie sich dort oben aufhielt, aber sie würde ihr eine anständige Standpauke halten, dass sie das Fenster schließen musste, bevor sie ging.
    Je näher sie dem kleinen Treppenabsatz kam, umso langsamer wurden ihre Schritte und umso heftiger ihr Schnaufen. Früher hatte sie die Stufen zwanzig- oder dreißigmal hinaufund herunterlaufen können. Zumindest hatte sie das in dieser Zeit immer als Übung getan, als sie damals dachte, sie würde Walton verlassen. Damals, als sie so lange in diesem Zimmer geblieben war. Manchmal war sie so unruhig geworden, dass sie etwas tun musste, um nicht zu platzen, also war sie die Treppe herauf- und hinuntergelaufen, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Damals hatte sie gedacht, der nächste Schritt
sei, ihre Sachen zu packen, Salter Path für immer hinter sich zu lassen und in die Berge zurückzukehren. Das Zimmer über der Garage war der perfekte Rückzugsort gewesen, ein Ort, um zur Ruhe zu kommen, bis sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Fast drei Monate lang hatte sie dort oben gelebt, hatte Walton nur vom Fenster aus gesehen oder an den Sonntagen, wenn sie zur Kirche gegangen waren. Sie hatte nicht gewollt, dass er sich in seiner eigenen Gemeinde schämen musste, obwohl natürlich alle Bescheid gewusst hatten.
    Aber Walton hatte sie in Ruhe gelassen, das musste sie ihm zugutehalten. Er hatte für sie eingekauft, Lebensmittel und all die anderen Dinge. Nicht viele hätten das getan. Und am Ende war der Tag gekommen, an dem sie aufwachte, sich aufsetzte und wusste, dass sie nirgendwohin gehen würde, sondern zu Hause war. Nach ihrer letzten Fehlgeburt stand fest, dass sie keine Kinder mehr bekommen würde. Doch erst an diesem Morgen hatte sie diese Tatsache als endgültig eingesehen und als Gottes Wille akzeptiert. Sie dachte an das Sprichwort, dass Gott, wenn er eine Tür schließe, anderswo ein Fenster öffne. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie dieses Fenster gefunden hatte, aber schließlich war es so weit. Von Zeit zu Zeit kam es noch vor, dass sie in dieses riesige Loch fiel, jene Stelle in ihrem Herzen, an der ihre Kinder sein sollten, doch Walton half ihr jedes Mal wieder heraus. Und nach einer Weile wuchs eine Grasschicht über diesem Loch, und solange sie nur achtgab und vorsichtig darum herum balancierte, brauchte sie nicht zu befürchten, wieder hineinzufallen. Es gab so vieles auf der Welt, das man lieben konnte. Walton. Annie Laurie und sogar Doris. Blumen. Schildkröten. Und nun auch Cassandra.
    Als May die Tür zu dem Apartment über der Garage öffnete, ließ sie der Anblick des Schattens am Fenster erneut zusammenzucken. Diesmal war es nicht der Vorhang, sondern der hohe Schaukelstuhl, der Waltons Mutter gehört hatte. Annie Laurie musste ihn ans Fenster gezogen haben, um Licht
zum Lesen zu haben. »Wenn das kein Anblick ist«, sagte May laut, um sich zu beruhigen. Es schien, als würde sie mit zunehmendem Alter immer schreckhafter. Sie sah wieder zum Stuhl hinüber und stellte sich vor, wie eine Frau darin saß. Nicht Waltons Mutter, sondern eine andere, eine kräftige Frau, die ihr langes, honigfarbenes Haar bürstete. Cassandra. In diesem Moment wusste May, weshalb sie in dieses Zimmer gerufen worden war. Sie wusste, dass der weiße Vorhang ein Zeichen war, eine Botschaft von Marvelle, die May bat, sich um ihr kleines Mädchen zu kümmern.
    Diese Einladung zur Hochzeit vor ein paar Wochen, der Anruf heute Morgen, die Tatsache, dass Cassandra ganz allein in einer schwarzen Limousine mit Rasierschaum auf der Heckscheibe auftauchte - May konnte zwei und zwei zusammenzählen. Dieses Mädchen brauchte einen Ort, wo sie bleiben konnte, und so gern May sie auch in ihrem Haus untergebracht hatte, so wusste sie doch, dass eine fahnenflüchtige Braut ihre Privatsphäre brauchte. Außerdem würde sie der Ausblick auf den Sund besänftigen, würde ihr helfen, Klarheit in ihre Gedanken zu bringen, so wie es damals auch May geholfen hatte.
    Das

Weitere Kostenlose Bücher