In deinen Armen
derart großspurigen Tonfall, dass er sie am liebsten erwürgt hätte.
»Dann pisse ich eben auf den Boden«, geiferte er.
Mrs. Brown störte die beiderseitigen Zorneswallungen, indem sie zu kichern anfing. »Sie schreien einfach laut, Sir. Dann kommt schon jemand, der sich um Sie kümmert.«
Enid hörte auf, MacLean anzustarren, und starrte stattdessen Mrs. Brown an. Die alte Frau begegnete dem mit Humor, und gerade als MacLean schon glaubte, die Runde ginge an ihn, revanchierte sich Enid.
Sie sprach zu Mrs. Brown, als wäre er nicht da. »Wenn wir ihn schon nicht waschen, dann exerzieren wir ihn wenigstens durch.«
Worauf seinerseits der letzte Rest von Entspannung schwand. »Du redest von mir wie von einem Pferd«, schnaubte er. »Was meinst du damit, mich durchexerzieren?«
Sie nahm seine Hand und rotierte sie am Handgelenk erst in die eine, dann in die andere Richtung.
Mrs. Brown machte mit der anderen Hand dasselbe.
Er war zu schwach, den Frauen seine Hände zu entziehen, und wusste auch, dass es dumm gewesen wäre, denn er begriff ja, dass sie seine Gliedmaßen durcharbeiteten, um ihn beweglich zu halten; und er wusste zu schätzen, welchen Dienst sie einem bewusstlosen Mann damit erwiesen hatten. Aber wie er diese Gebrechlichkeit hasste! Herumgeschoben und -gezogen zu werden, gewendet und geschubst, unfähig, sich aus eigener Kraft zu bewegen.
Wie ein Zuschauer beobachtete er die Frauen, wie sie in einem langsamen Rhythmus seine Arme hoben. Seine Muskeln schmerzten beim Dehnen. Der Magen verkrampfte sich ob seiner Hilflosigkeit, und obwohl die beiden Frauen ihm die Mühe abnahmen, schnappte er nach Luft.
»Wir sollten ihm etwas Wasser geben«, sagte Enid.
»Sollten wir, ja«, erwiderte er sarkastisch.
Die beiden sahen einander überrascht an, als sie ihn sprechen hörten, und er schwor sich, dass ihm das nie wieder passieren sollte. Von morgen an würde er sich selbst trainieren. Er würde bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit gehen. Er würde aufhören, sich um seinen Verstand zu sorgen, und sich auf seinen Körper konzentrieren, bis jedes Gelenk und Jeder Muskel sich mit der Kraft und Ausdauer gut geölten Stahls bewegte.
Grimmig nahm er das Wasser an, schluckte zügig und sah die Frauen seinen Unterkörper in Angriff nehmen. Sie drapierten ihm ein Laken über die Hüften, hoben seine Beine an, bewegten zuerst die Fußknöchel auf und ab und dann die Knie zum Magen hinauf. Enid hielt das gebrochene Bein. Sie bewegte es langsam und ruhig, doch er musste vor Schmerz fast die Augen schließen, und der Schweiß lief ihm über den Körper. Als sie endlich aufhörten, fragte er: »Werde ich auf dem Bein denn wieder stehen können?«
»Ja!« Die Frage schien Enid zu verblüffen. »Wenn nicht irgendwo noch ein Schaden ist, den ich nicht sehen kann, wirst du stehen und gehen können.«
Sie reichte ihm ein Handtuch. Er wischte sich damit den Schweiß von der Stirn, während die Frauen seinen Körper mit feuchten Tüchern Stück für Stück abwischten und trockenrieben. Ihm war deswegen nach Nörgeln zu Mute, doch abgesehen von seinem Bein, das wirklich schmerzte, waren seine Muskeln angenehm erschöpft, und er stellte fest, dass er die Zuwendung genoss. »Auf dieses Versprechen komme ich zurück, Mädchen.«
»Tu das.« Sie strich über ihm die Bettdecke glatt. »Tu das.«
Kapitel 8
Enid saß in einem Schaukelstuhl, lauschte beim Schaukeln dem Knarren der Bodendielen und tat so, als lese sie in ihrer abgegriffenen Ausgabe von
Northanger Abbey.
Die späte Nachmittagssonne wärmte die Dachkammer, eine Brise wehte zu den offenen Fenstern herein, und zum ersten Mal seit sechs Wochen – nein, seit acht Jahren – hatte sie Zeit für sich selbst. Und wusste nichts damit anzufangen.
Ihr Blick wanderte zum Bett, auf dem MacLean sich ausstreckte. Das Bad hatte ihn Kraft gekostet, ihm jedoch keinen Schaden zugefügt. Mr. Throckmorton hatte die Prozedur angeordnet, und alles war wie geplant vonstatten gegangen. Mrs. Brown hatte die Aufsicht geführt; Harry, Mr. Kinman und Jackson hatten ihn in die Wanne gelegt. Und während MacLean im warmen Wasser gelegen hatte, hatte eine ganze Armee von Bediensteten den Boden geputzt, das Bett frisch bezogen und sogar seine Matratze gegen eine neue, fest mit Federn gestopfte ausgetauscht.
Jetzt liebkoste das Sonnenlicht das frisch polierte Holz und leuchtete jeden Winkel des Zimmers aus. Mrs. Brown war ausgegangen, die Dachkammer roch nicht mehr wie ein Krankenzimmer,
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