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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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verliebt.
    Sam fragte mich, was ich meinte.
    »Wozu?«
    »Zu allem. Was machen wir jetzt?«
    Es war erstaunlich, wie sehr er darauf vertraute, dass ich Logik in all das hineinbringen würde. Es war einfach so viel auf einmal – dass Koenig das Geheimnis der Wölfe erraten hatte, dass die Idee, sie umzusiedeln, plötzlich möglich erschien und überhaupt die Vorstellung, unser aller Schicksal jemandem anzuvertrauen, den wir kaum kannten. Woher sollten wir wissen, dass er uns nicht verriet?
    »Um das zu beantworten, brauche ich erst mal noch ein Stück Pizza«, sagte ich. »Wollte Cole eigentlich nichts?«
    Sam antwortete: »Er hat gesagt, er fastet. Warum, will ich, glaube ich, gar nicht wissen. Unglücklich wirkte er jedenfalls nicht.«
    Ich zupfte den Rand von einem Stück Pizza ab, Sam nahm den Rest. Ich seufzte. Der Gedanke, den Boundary Wood zu verlassen, machte mir Angst. »Okay, ich meine, es müsste ja nicht für immer sein. Dass die Wölfe auf dieser Halbinsel leben. Vielleicht fällt uns später noch was Besseres ein, wenn diese ganze Aufregung wegen der Jagd sich gelegt hat.«
    »Als Erstes müssen wir sie einfach nur aus diesem Wald rausbringen.« Er klappte den Pizzakarton zu und fuhr das Firmenlogo darauf mit dem Zeigefinger nach.
    »Hat Koenig denn gesagt, dass er dir bei deinem Ärger mit der Polizei hilft? Ich meine, weil ich vermisst werde? Immerhin weiß er ja jetzt, dass du mich nicht entführt und umgebracht hast«, fragte ich. »Meinst du, er kann irgendwas tun, um sie dir vom Hals zu schaffen?«
    »Ich weiß nicht. Dazu hat er nichts gesagt.«
    Ich bemühte mich, die Frustration aus meiner Stimme herauszuhalten, schließlich war ich ja nicht auf ihn sauer. »Aber findest du nicht, dass das irgendwie ziemlich wichtig ist?«
    »Schon, ja. Aber die Wölfe haben nur noch zwei Wochen. Darüber, wie ich meinen Namen reinwasche, kann ich mir nachher immer noch Sorgen machen. Ich glaube nicht, dass die wirklich was finden, was sie mir anhängen können«, entgegnete Sam. Er sah mich dabei nicht an.
    »Wenn aber Koenig jetzt Bescheid weiß, dann ist der Verdacht gegen dich doch ausgeräumt«, sagte ich.
    »Ja, Koenig weiß Bescheid. Aber die anderen nicht. Er kann denen schließlich nicht einfach erzählen, dass ich unschuldig bin.«
    »Sam!«
    Er zuckte mit den Schultern und wich immer noch meinem Blick aus. »Daran kann ich jetzt erst mal nichts ändern.«
    Die Vorstellung, wie er auf der Polizeiwache saß und verhört wurde, versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Der Gedanke, dass meine Eltern ihn für fähig hielten, mir etwas anzutun, war noch schlimmer. Und die Möglichkeit, dass er wegen Mordes vor Gericht kam, war einfach unerträglich.
    Da kam mir eine Idee.
    »Ich muss es meinen Eltern sagen«, rief ich. Ich dachte an mein Telefongespräch mit Isabel. »Oder Rachel. Oder sonstwem. Irgendwer muss erfahren, dass ich noch lebe. Keine tote Grace, kein Mordverdacht.«
    »Und deine Eltern haben dann sicher volles Verständnis«, sagte Sam.
    »Ich weiß nicht, wie sie sich verhalten werden, Sam! Aber ich lasse dich nicht einfach – einfach so ins Gefängnis gehen.« Verärgert knüllte ich meine Serviette zusammen und warf sie auf den Pizzakarton. Wir waren so knapp dem Schicksal entronnen, für immer auseinandergerissen zu werden, da schien der Gedanke erschreckend, dass es nach alldem nun ein vollkommen menschengemachtes, unwissenschaftliches Problem sein sollte, das uns schließlich doch trennte. Und Sam saß einfach bloß da und zog ein schuldbewusstes Gesicht, als glaubte er selbst schon daran, für meinen angeblichen Tod verantwortlich zu sein. »So schlimm meine Eltern auch sein können, das hier ist schlimmer.«
    Sam sah mich an. »Vertraust du ihnen?«
    »Sam, sie werden mich schon nicht umbringen«, fauchte ich.
    Ich schlug mir die Hände vor Nase und Mund, mein Atem entlud sich in einem Stoßseufzer.
    Sams Gesicht veränderte sich nicht. Die Serviette, die er fein säuberlich in Streifen gerissen hatte, hing wie erstarrt zwischen seinen Fingern.
    Jetzt vergrub ich das ganze Gesicht in den Händen. Ich konnte ihn nicht ansehen. »Es tut mir leid, Sam«, sagte ich. »Tut mir so leid.« Der Gedanke an sein Gesicht, völlig regungslos, seinen ruhigen, wölfischen Blick – ich spürte, wie sich die ersten Tränen aus meinen Augen stahlen.
    Die Bodendielen quietschten, als er aufstand. Ich nahm die Hände vom Gesicht. »Bitte geh nicht«, flüsterte ich. »Es tut mir so leid.«
    »Ich hab

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