In deinen Augen
ein Geschenk für dich«, sagte Sam. »Es liegt noch im Auto. Ich geh es holen.« Er berührte flüchtig meinen Kopf, als er schweigend aus dem Zimmer ging und die Tür hinter sich schloss.
Und so fühlte ich mich immer noch wie der schrecklichste Mensch auf der Welt, als er mir das Kleid gab. Er kniete vor mir wie ein armer Sünder und beobachtete mein Gesicht, als ich es aus der Tüte zog. Aus irgendeinem Grund dachte ich zuerst, es wäre gewagte Unterwäsche, und war erleichtert, wenn auch gleichzeitig ein kleines bisschen enttäuscht, als das Geschenk sich als hübsches Sommerkleid entpuppte. In letzter Zeit kriegte ich meine Gefühle irgendwie nicht richtig geordnet.
Ich strich den Stoff mit der Hand glatt und betrachtete die feinen Träger. Es war ein Kleid für einen heißen, sorglosen Sommer und der schien mir im Moment unendlich weit entfernt. Ich blickte Sam an und sah, dass er sich auf die Innenseite der Unterlippe biss und auf meine Reaktion wartete.
»Du bist der tollste Freund, den es gibt«, sagte ich zu ihm. Ich fühlte mich immer noch fürchterlich, so etwas hatte ich gar nicht verdient. »Du musstest mir doch nichts schenken. Ich denke gern daran, wie du an mich denkst, wenn ich nicht bei dir bin.« Ich streckte die Hand aus und legte sie an seine Wange. Er drehte das Gesicht zur Seite und gab mir einen Kuss in die Handfläche; als seine Lippen meine Haut berührten, zog sich irgendetwas in mir zusammen. Mit etwas tieferer Stimme fragte ich: »Soll ich’s mal anprobieren?«
Im Badezimmer brauchte ich mehrere Minuten, um zu begreifen, wie man dieses Kleid eigentlich anzog, obwohl daran wirklich nichts Kompliziertes war. Ich war es bloß nicht gewohnt, Kleider zu tragen, und als ich schließlich hineingeschlüpft war, fühlte ich mich, als hätte ich überhaupt nichts an. Ich stellte mich auf den Badewannenrand, um mich im Spiegel zu betrachten, und versuchte mir vorzustellen, was Sam wohl dazu gebracht hatte zu denken: Dieses Kleid muss ich für Grace kaufen. Hatte er einfach gemeint, es würde mir gefallen? Oder dass ich darin sexy aussehen würde? Oder wollte er mir bloß irgendetwas schenken und das Kleid war das Erste gewesen, was ihm untergekommen war? Ich war mir nicht sicher, warum es ein solcher Unterschied gewesen wäre, ob er eine Verkäuferin gefragt hatte, was seiner Freundin wohl gefallen könnte, oder ob er das Kleid auf einem Bügel gesehen und sich mich darin vorgestellt hatte.
Im Spiegel sah ich aus wie ein Mädchen vom College, fand ich, selbstbewusst und hübsch. Ein Mädchen, das wusste, wie es seine Figur ins vorteilhafteste Licht rücken konnte. Ich strich die Vorderseite des Kleids glatt, der Rocksaum kitzelte neckisch meine Knie. Der Ansatz meiner Brüste war gerade eben erkennbar. Plötzlich hatte ich es eilig, zurück ins Zimmer zu gehen, damit Sam mich sehen konnte. Es schien wichtig, dass er mich sah und berührte.
Als ich in der Tür stand, fühlte ich mich mit einem Mal befangen. Sam saß auf dem Boden, mit dem Rücken ans Bett gelehnt und die Augen geschlossen, und lauschte der Musik, weit weg von hier. Doch als ich die Tür hinter mir zumachte, schlug er die Augen auf. Ich zog eine Grimasse und verknotete die Hände hinter dem Rücken.
»Und, was meinst du?«, fragte ich.
Hastig kam er auf die Füße.
»Oh«, sagte er.
»Nur den Gürtel im Rücken konnte ich nicht selber zuknoten«, sagte ich.
Sam holte tief Luft und trat auf mich zu. Ich fühlte mein Herz hämmern, auch wenn ich nicht genau wusste, warum. Er nahm die beiden Bänder, die links und rechts herunterhingen, und legte die Arme um mich, doch anstatt sie zusammenzubinden, presste er die Hände auf meinen Rücken, heiß durch die dünne Baumwolle des Kleids. Es war, als befände sich rein gar nichts zwischen seinen Fingerspitzen und meiner Haut. Sein Gesicht lag an meinem Hals. Ich konnte ihn atmen hören, jeder Zug klang gemessen, beherrscht.
Ich flüsterte: »Heißt das, es gefällt dir?«
Und dann, plötzlich, küssten wir uns. Es schien eine Ewigkeit her, seit wir uns so geküsst hatten, als wäre es uns todernst – eine Sekunde lang war alles, was ich denken konnte: Ich hab doch gerade Pizza gegessen, bis mir wieder einfiel, dass das auf Sam genauso zutraf. Sams Hände rutschten zu meinen Hüften, zerknüllten dort den Stoff, löschten meine Zweifel aus, so viel Verlangen lag in seiner Berührung. Allein das, allein die Wärme seiner Handflächen an meiner Hüfte, durch das Kleid, sorgte
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