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In deinen Augen

In deinen Augen

Titel: In deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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meint ihr?«
    Ich sah Grace an, also tat Koenig es mir nach. Sie nickte nur.
    »Du auch?«, fragte Koenig mich.
    Ich lächelte wehmütig.
    »Das dachte ich mir«, sagte er. »Ist ein guter Ort, um sich darin zu verlieren.«

KAPITEL 52
COLE
    Innerhalb einer Stunde rief ich Sam so oft auf dem Handy an wie Isabel in zwei Monaten. Mit dem gleichen Ergebnis. Nichts. Das hätte ich jetzt persönlich nehmen können, aber ich bildete mir gern ein, etwas dazugelernt zu haben. Geduld – das war wirklich eine Tugend.
    Leider war sie nie eine meiner Stärken gewesen.
    Ich rief Sam an. Es klingelte und klingelte, bis es meinen Ohren schon vorkam, als wäre jedes Läuten länger als das vorangegangene.
    Die Minuten erstreckten sich ins Unendliche. Ich legte Musik auf, aber selbst die Songs schienen in Zeitlupe abzulaufen. Es irritierte mich immer mehr, wenn der Refrain kam; ich hatte das Gefühl, ihn schon hundertmal gehört zu haben.
    Ich rief Sam an.
    Nichts.
    Ich trottete runter ins Untergeschoss, rauf in die Küche. Ich hatte schon fast all meinen Kram weggeräumt, aber in meiner Liebenswürdigkeit (und meinem Bedürfnis nach Ablenkung) wischte ich sogar die Arbeitsplatte mit einem nassen Papiertuch ab und schob das Kaffeepulver, das dem Aufbrühen entkommen war, und die Krümel um den Toaster zu einer Pyramide zusammen.
    Ich rief Sam an. Endloses Klingeln. Ich hastete wieder nach unten, dann rauf zu dem Stapel Sachen in meinem Zimmer. Ich durchwühlte alle Materialien, die ich in den letzten Monaten angehäuft hatte, obwohl ich momentan nichts davon brauchte, doch ich wollte mich beschäftigen, etwas mit den Händen tun. Meine Füße schienen zu laufen, ob ich stand oder nicht, also konnte ich auch gleich stehen bleiben.
    Ich rief Sam an.
    Klingeling. Klingelingeling. Klingelingelingeling.
    Ich schnappte mir eine Jogginghose und ein T-Shirt und nahm sie mit nach unten. Legte sie dort auf den Sessel. Fragte mich, ob ich noch ein langärmliges Oberteil, einen Pullover dazulegen sollte. Nein. Ein T-Shirt reichte. Nein. Vielleicht doch einen Pullover. Ich kramte ein Berkeley-Sweatshirt aus einer Schublade.
    Ich rief Sam an.
    Nichts. Nichts. Wo zur Hölle trieb er sich rum?
    Ich kritzelte in Becks Notizbuch, das nun mir gehörte. Dann ging ich wieder nach unten. Ich warf einen Blick auf das Thermostat. Drehte es so heiß auf, wie es nur ging. Ich holte ein paar Heizlüfter aus der Garage. Suchte Steckdosen im Keller und stöpselte sie ein. So langsam war es die reinste Sauna hier unten. Immer noch nicht heiß genug. Ich musste den Sommer in diese vier Wände holen.
    Ich rief Sam an.
    Zweimal klingeln. Dreimal.
    »Cole, was ist los?« Sam. Seine Stimme war unklar, mit Rauschen unterlegt, aber er war es.
    »Sam«, sagte ich. Ich klang ein bisschen gereizt, aber das war, wie ich fand, mein gutes Recht. Ich blickte auf den Wolfskörper vor mir auf dem Boden. Das Betäubungsmittel ließ langsam nach. »Ich habe Beck.«

KAPITEL 53
SAM
    Bis Cole mir sagte, dass er Beck gefangen hatte, war mir gar nicht aufgefallen, dass heute Chinesentag war.
    Ewig lange hatte ich geglaubt, dass der Chinesentag ein echter Feiertag war. Jedes Jahr am selben Tag im Mai hatten Ulrik oder Paul, oder wer sonst gerade da war, Shelby und mich ins Auto geladen und zu einem Tag voller Vergnügungen entführt – einen Luftballon in der Hand, ein Museumsbesuch, eine Probefahrt in einem schicken Auto, das wir uns niemals kaufen würden – und jedes Mal endete das Ganze mit einem Festmahl im Fortune Garden in Duluth. Ich aß eigentlich nicht viel außer Frühlingsrollen und Glückskeksen, aber die Assoziation mit diesem ausgelassenen Tag machte den Chinesen trotzdem zu meinem Lieblingsrestaurant. Wir kamen immer mit einem Dutzend weißer Imbissschachteln nach Hause, die nachher wochenlang im Kühlschrank lagen. Lange nach Einbruch der Dunkelheit bogen wir in die Einfahrt ein und man musste mich ins Bett schleifen und schieben.
    Beck kam nie mit. Paul lieferte uns jedes Jahr eine andere Entschuldigung dafür. Er will in Ruhe arbeiten und uns dafür aus dem Haus haben oder Er ist gestern lange wach geblieben oder Er feiert eben keinen Chinesentag. Ich dachte nicht groß darüber nach. An diesem Tag war so viel anderes los, was meine Aufmerksamkeit beanspruchte. Die Wahrheit war einfach, dass ich jung und selbstbezogen war und, wie alle Kinder, nicht darüber nachdachte, was die Erwachsenen machten, wenn ich nicht bei ihnen war. Es war leicht, mir Beck an diesem

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